Organisationstheorien

Autor: Georg Schäfer

Organisationstheorien geben Hinweise auf das Funktionieren, die Wirkungen und Nebenwirkungen von Organisationen, die wir täglich in der Praxis erleben. Die nachfolgenden Ansätze folgen jeweils unterschiedlichen theoretischen Grundannahmen.

Eine wissenschaftliche Grundannahme ist, dass es eine objektive Realität gibt (Objektivismus), die sich durch Logik erschließen lässt und unabhängig von den Mitgliedern der Organisation wirkt. Organisationen definieren sich über ihre Funktion (Funktionalismus).

Im Gegensatz dazu geht ist eine andere Grundannahme, dass jeder Mensch eine andere Vorstellung von der ihn umgebenden Wirklichkeit hat (Subjektivismus) und, dass sich Organisationen aus ihren Mitgliedern konstituieren, aus deren Handlungen oder aus deren Kommunikation. Das interpretative Paradigma beruht auf der Annahme, dass soziale Realitäten in Organisationen nicht durch harte Fakten bestimmbar sind, sondern von den Mitgliedern der Organisation konstruiert und interpretiert werden (Konstruktivismus).

Nun befinden wir uns in der Verwaltung in einem besonderen Organisationszusammenhang. Dieser weist alle Wesensmerkmale einer Bürokratie auf, als da sind:

  • Rationalität (Sachlichkeit, Unpersönlichkeit[1], Berechenbarkeit)
  • Hierarchie
  • legale Herrschaft beruhend auf dem Glauben an eine gesetzliche Ordnung
  • Aktenmäßigkeit
  • Aufgabenerfüllung in Form von Regeln und Normen
  • formale Organisation

Während sich für Max Weber[2] Person und Organisation mittels Identifikation als fest gekoppeltes System (feste Regeln und Abläufe) darstellten, verweist z. B. Luhmann[3] darauf, dass Organisationen ihre Ziele auch erreichen können, ohne dass bei den Mitarbeitenden eine Identifizierung mit der Organisation erfolgt. Dies kann z. B. in geldlichen Anreizen, Aufstiegsmöglichkeiten oder der professionellen Anerkennung von Leistung begründet sein. Loyalität hat als wichtiges Identifikationsmuster zugunsten von Individualität und Kreativität abgenommen (Entkoppelung von Organisation und Person).

Die wichtigsten Organisationstheoretischen Ansätze werden im Folgenden in aller Kürze beschrienen[4].

Managementlehre - vom Harzburger Modell zum Management by Objectives (MBO)

Ansätze des in den 50er Jahren entwickelten Harzburger Modells waren darauf fokussiert, die Steuerung durch autoritäre Vorgesetzte durch eine Steuerung über bürokratische Regeln zu ersetzen und Führungsverantwortung in die mittlere und untere Managementebene zu verlagern ohne allerdings den Geltungsanspruch des oberen Managements zu schmälern. Führung erfolgt durch regelmäßige Personal-
oder Zielvereinbarungsgespräche. Sie dienen der Führungsaufgabe der bzw. des Vorgesetzten im Sinne der Erhöhung von Effizienz, beinhalten aber keine emanzipatorischen Ansprüche im Sinne betrieblicher Mitbestimmung.

Die Zielvereinbarung ist ein Personalführungsinstrument mit dem Ziel der Effizienzsteigerung. Die meisten Organisationsberatungsfirmen beziehen sich auf die Grundannahmen des MBO (TQM etc.), eine Fortsetzung des Harzburger Modells. Die genannten Wesensmerkmale sind Grundlage des Handelns für hierarchisch gegliederte, fest gekoppelte Systeme. Hier wird Loyalität als Haltung eingefordert (Entscheidungshierarchien, Festlegung durch Dienstanweisungen). Wenig flexible Haltung: Warten auf Anweisung von oben.

Human Relations und Organisationspsychologie

Erste Ansätze des Human-Relations-Ansatzes gingen in Richtung Indoktrination durch Arbeitspädagogik (Kompensation der arbeitsbedingten Zumutungen) vor dem Hintergrund der Hawthorne-Effekte[5]. In den 70er und 80er Jahren entwickelten sich unter dem Begriff Humanisierung der Arbeit Mitbestimmungsmodelle.

Heute zielen Organisationsentwicklungsprozesse eher auf die Motivation der Mitarbeitenden bzw. ihre Einbeziehung in bereits beschlossene Umstrukturierungsprozesse ab. Ernst gemeinte Ansätze von Mitbestimmung der Beschäftigten am Arbeitsplatz sind auch hier nicht beabsichtigt[6].

Verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorien

Die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie unterscheidet sich von Taylors „wissenschaftlicher Betriebsführung“ und dem Human-Relations-Ansatz. Diese Ansätze sehen Differenzen zwischen Organisationen und Personen als vermeidbare Folgen falschen Bewusstseins und Managementfehlern, während der verhaltenswissenschaftliche Ansatz die Kluft zwischen Organisation und Mensch als ein grundsätzliches Bestandsproblem sieht, das bearbeitet aber nie gelöst werden kann.

Die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie nimmt die Interaktion der Menschen und weniger die strukturellen Anforderungen in den Blick. Sie begreift menschliche Entscheidungsprozesse nicht als Entscheidungslogik, sondern als menschliches Entscheidungsverhalten. Die Theorie geht von zwei Prämissen aus:

  1. Menschen verfügen nur über begrenzte Informationsverarbeitungskapazitäten (unvollständige Information).
  2. Die Bereitschaft, sich in Organisationen zu engagieren, ist begrenzt (begrenzte Rationalität).

Organisationshandeln wird nicht von den persönlichen Interessen der Teilnehmenden bestimmt, sondern von den Gesichtspunkten der Organisation. Formale Organisationen motivieren durch Anreize wie Geld, soziale Beziehungen und Prestige. Die Anerkennung von Herrschaft (Autorität) als Mitgliedschaftsbedingung der Organisation wird arbeitsvertraglich vereinbart.

Das Problem ist, dass die Reichweite von Herrschaft prinzipiell begrenzt ist. So können Vorgesetzte nicht über die gleichen Informationen verfügen wie Untergebene (Detailkenntnisse, Informationsmonopol). Mitarbeitende setzen somit einen Teil der für die Entscheidungen notwendigen Prämissen selbst. Durch Schulung, Beratung, Indoktrination werden die Beschäftigten zu selbständigem Handeln im Organisationsinteresse bewegt. Dazu ist das Wissen um die Organisationsziele und die Identifikation (Loyalität) mit diesen notwendig[7].

Das individuelle Entscheidungsverhalten unterliegt einer begrenzten Rationalität. Dies führt zu Unsicherheiten in komplexen Situationen, weshalb Komplexität reduziert wird. Zur Komplexitätsdeduktion dienen:

  • Herrschaft und Indoktrination
  • Arbeitsteilung
  • selektive Kommunikation
  • standardisierte Verfahren und detaillierteVorschriften

Aus solchen Komplexitätsreduktionen können neue Probleme entstehen wie Abteilungskonflikte, mangelndes Überblickswissen durch stark routiniertes Arbeiten, Fehleinschätzungen und die Nichtbeachtung von Nebenfolgen[8].

Organisationsziele haben die Funktion, die vielfältigen Erwartungen der Teilnehmenden in durch Organisationshandeln anzustrebende Zustände zu übersetzen.

In jeder Organisation gibt es in Bezug auf die Herstellung und Umsetzung von Organisationszielen aktive und passive Gruppen. Die aktiven Gruppen erwarten einen positiven Gewinn (in Geld, Aufstieg, Anerkennung etc.), die passiven verhalten sich in ihrer Stellung und Bezahlung weitgehend angepasst und äußern kein dynamisches Interesse an Strukturveränderungen.

Die Einstellung zu den Organisationszielen und die Frage aktiver und passiver Orientierung an den Organisationszielen beeinflusst die Haltung der Mitarbeitenden und, ob und wann sie sich engagieren. Haltung ist immer auch Komplexitätsreduktion, sowohl auf Organisationsebene als auch auf der individuellen Ebene der Mitarbeitenden.

Das Mülleimer-Modell – Entscheidungen in mehrdeutigen Situationen

Während Organisation aus entscheidungswissenschaftlicher Sicht bisher eher als eingeschränkt rationale Problembearbeitung dargestellt wurde, gehen die Autoren des Mülleimer-Modells (garbage can) von „organisierten Anarchien“ aus. In diesem Modell bilden Mehrdeutigkeit (Ambiguität) und Unklarheit die Grundlage des Handelns. Dazu tragen beschränktes Wissen und unvollkommene Technologien, inkonsistente und unoperationale Ziele sowie wechselnde Teilnehmende und Aufmerksamkeit bei. Für mehrdeutige Situationen müssen demnach komplexere Modelle gefunden werden, in denen Mitarbeitenden zur Zielerreichung Ambiguitätstoleranz[9] zugestanden wird.

Das Mülleimer-Modell stellt die übliche Vorstellung von Organisation auf den Kopf: „Eine Organisation als Mülleimer, das soll heißen: entscheidend ist nicht, was man herausholt sondern was man hineinsteckt – in der trügerischen Hoffnung, es nie wieder zu sehen. Organisationen sind Ansammlungen von Lösungen, die nach Problemen suchen, ein Durcheinander von Themen und Gefühlen, die nach Entscheidungssituationen suchen, in denen sie Ausdruck finden können, und ein mehr oder weniger strukturierter Haufen von Entscheidungsträgern, die nach Arbeit, Einfluss und Selbstverwirklichung suchen“[10].

Das Mülleimer-Modell nährt die Haltung eines amüsierten Außenstehenden, dessen besonderes Augenmerk auf die skurrilen Ereignisse gerichtet ist und nährt die Auffassung, dass Prozesse in komplexen Organisationen, so z. B. in Jugendämtern, Schulen und Krankenhäusern, eigentlich nicht steuerbar sind[11].

Neben einer eher fatalistischen Haltung kann sich aber auch eine Haltung entwickeln, die zum Verständnis von Nebenfolgen und Zielabweichungen beiträgt, in der Hoffnung, die Mechanismen von Organisationshandeln besser zu verstehen, um daraus Strategien abzuleiten.

Der situative Ansatz

Während die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie Organisationshandeln auf der Grundlage unterschiedlicher Wahrnehmungen der Organisationsmitglieder beschreibt, weisen Experten des situativen Ansatzes darauf hin, dass „falsche“ Wahrnehmungen zu ineffizienten Organisationsstrukturen führen können. Der situative Ansatz geht von einer eher objektivistischen Grundannahme aus.

Haltungen fokussieren sich v. a. auf „falsches“ bzw. „richtiges“ Bewusstsein.

Evolutionstheoretische Ansätze

Evolutionstheorien nehmen Anleihen an der biologischen Evolutionstheorie. Begriffe wie Genpool, Mutation und Selektion werden in diesen organisationstheoretischen Ansatz übersetzt. Die Evolutionsbiologie ist also die Grundannahme auf der die Theorie baut.

So ist der Selektionsmechanismus dafür verantwortlich, dass Organisationen und das Profil ihrer Mitarbeitenden immer homogener werden. Haltung wird in solchen Organisationen als eine deterministisch festgelegte Grundkategorie definiert, die nur wenig zu verändern ist[12].

Allerdings darf kritisch angemerkt werden, dass die Veränderung der Umwelt immer wieder auch neue Formen von Organisationen (neue Genpools) hervorbringen wird.

Einige Wissenschaftler*innen behaupten, dass wichtige Grundcharakteristika von Organisationen über den gesamten Lebenszyklus beibehalten werden und weitgehend resistent gegenüber Veränderungen sind (sozusagen genetisch bedingten Faktoren ähnlich).

Evolutionäres Management (St. Gallen)

Ein vielbeachteter Ansatz des evolutionären Managements wurde an der Universität St. Gallen in der Schweiz entwickelt. Der bzw. die evolutionäre Manager*in beschränkt sich angesichts der Komplexität der Organisationsprobleme darauf, günstige Rahmenbedingungen für eine Selbstorganisation des Unternehmens zu schaffen. Dieses Konzept folgt dem Konzept der „spontanen Ordnung“ von Hayek.

Auch hier geht es um den Umgang mit Komplexität, die im Gegensatz z. B. zum verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungsmodell nicht reduziert, sondern in ihrer Komplexität bearbeitet werden soll. Zwei Komplexitätsreduktionen sind allerdings unvermeidlich: die Komplexitätsreduktion durch selektive Wahrnehmung und die Unmöglichkeit, alle wahrgenommenen Probleme zu bearbeiten, was zwangsläufig zu Selektion führt.

Die Haltung der „spontanen Ordnung“ kommt in Organisationen zum Ausdruck, die formalen Hierarchien kritisch gegenüberstehen und allenfalls mit Fachberatung versuchen zu steuern oder das Modell „Team als Methode“ anwenden.[13]

Die Haltungen der Mitarbeitenden in solchen Organisationen sind geprägt von dem Ziel, dass alles seinen Platz hat, dass Entscheidungen gemeinsam oder mehrheitlich getroffen werden und, dass hierzu Möglichkeiten des Diskurses zur Verfügung stehen.

Neoinstitutionalistische Ansätze

Die Institutionalisten gehen davon aus, dass Beteiligte und Interessen institutionell bestimmt sind. Beteiligte selbst stehen nicht im Blickpunkt dieses Ansatzes. Man setzt voraus, „dass Annahmen, Vorstellungen und Erwartungen in einer Gesellschaft generell festlegen, wie Unternehmen, Schulen oder Krankenhäuser gestaltet sein sollen, warum sie nützlich sind, welche Aufgaben ihnen zukommen und welche nicht“[14]. Organisationen werden somit aus den Erwartungen gesellschaftlicher Anspruchsgruppen (Kunden, Staat etc.) konstituiert. Derart institutionalisierte Erwartungen durchdringen die Institution. Neoinstitutionalistischen Ansätzen geht es um die Elemente der formalen Strukturen von Organisationen, die mit den technisch-funktionalistischen Ansätzen nicht zu erklären sind.

Wettbewerb und Effizienzerfordernisse treten zugunsten von Erwartungen der Umwelt in den Hintergrund. Zentrale Begriffe sind Institution und Institutionalisierung. Wirklichkeit gilt auch hier als Konstruktion (Subjektivismus).

„Institutionalisierung als Zustand bezeichnet Situationen, in denen die in einer Gesellschaft bestehenden Vorstellungen bestimmen, was welche Bedeutung besitzt und welche Handlungen möglich sind“[15].

Wir erleben immer wieder, wie Jugendhilfe von gesellschaftlichen Entwicklungen gesteuert wird, so z. B. der Ausbau des Kinderschutzes als Reaktion auf medial aufbereitete Fälle von Vernachlässigung mit Todesfolge oder die Entscheidungen von Politik zur Inklusion.

Entsprechend der Ansicht, dass die Organisation sich nicht selbst steuert, keine eigenen Ziele festlegt, also auch keine eigene Haltung entwickelt, folgt sie dem Mainstream. So wartet man auf Entwicklungen, Pressemeldungen, Beschlüsse von politischen Gremien, Schlagwörtern wie „Sozialraumorientierung“ und orientiert sich an diesen reaktiv.

Kritische Folgen aus der Institutionalisierung werden darin gesehen, dass externe Bewertungskriterien eine größere Rolle spielen als eine an den Organisationsbedingungen orientierte technische Effizienz. Durch sog. „Rationalitätsmythen“, z. B. der Übernahme von modernen Organisationskonzepten wie Lean Management, Total Quality Management, Balanced-Score-Card, Controlling oder Assessmentcenter, steigt das Ansehen und der Wert einer Organisation, weil die gesellschaftlichen Erwartungen den Einsatz solcher Methoden voraussetzen, egal ob sie Einfluss auf das Ergebnis haben oder nicht.

„Organisationen, die gesellschaftlich legitimierte und rationalisierte Elemente in ihre formale Struktur aufnehmen, maximieren ihre Legitimität, sichern und erhöhen den Zufluss an Ressourcen und steigern so ihre Überlebensfähigkeit.“[16] Dem Argument, dass ausschließlich die Organisationen überleben, die auch effizient sind, treten Vertreter des Neoinstitutionalistischen Ansatzes entgegen[17].

In diesem Ansatz wird das Phänomen einer zunehmenden Strukturgleichheit (Isomorphie) der Organisationen allerdings nicht in der Anpassung aufgrund von Wettbewerbsbedingungen oder wettbewerbsbedingter Selektionsprozesse gesehen, sondern im Zwang, mimetische Prozesse (Nachahmung) zu initiieren und normativem Druck zu folgen.

Zwang beruht hier auf öffentlicher und/oder politisch motivierter Einflussnahme, indem Öffentlichkeit/Politik der Organisation (hier besonders Verwaltungen) Legitimation zuspricht. Unsicherheit und Uneinheitlichkeit führen dazu, dass andere Organisationen kopiert werden, die eine zentrale Stellung besitzen und Organisationsunternehmen bestimmte, in Unternehmen als erfolgreich eingestufte, Patentrezepte verbreiten (Best Practise). Durch zunehmende Professionalisierung, z. B. über Berufsverbände, Mitarbeitende in Schlüsselpositionen, Einstellungen von Mitarbeitenden, die in ähnlichen Kategorien denken und Entscheidungen fällen, kann eine zunehmende Strukturangleichung erfolgen.

Organisationen können Konflikte und Inkonsistenzen zwischen institutionalisierten Strukturelementen, Managementpraktiken und Effizienzgesichtspunkten häufig durch ihre formale Struktur nicht ausreichend koordinieren. So kann es zu Entkoppelungen der einzelnen Bereiche kommen. Dies passiert insbesondere wenn

>         Ziele nicht eindeutig sind, sondern vage gehalten werden,

>         kategorische Zwecke durch technische ersetzt werden („wir leisten Soziale Arbeit nicht für die Adressat*innen, sondern wir arbeiten nach der Methode XY“),

>         formale Strukturen vor Überprüfbarkeit geschützt werden (ritualisierte Rechenschaftsberichte),

>         Koordinationen auf informellem Wege durchgeführt werden („das hab ich mit Frau M. doch schon in der Kantine besprochen“).

Diese „Organisation der Scheinheiligkeit“ kann den Vorteil haben, dass die Organisation weiterhin die Unterstützung von internen und externen Beteiligten hat und insbesondere die Öffentlichkeit in Bezug auf den Zustand der Organisation erfolgreich getäuscht wird (Lippenbekenntnisse, Legitimationsfassade)[18]. Vertrauen und Glaube (Aura der Vertrauenswürdigkeit) legitimiert Organisationen in ihrer institutionellen Umwelt, besonders in komplexen, gesellschaftlich legitimierten, Aufgabenfeldern. Insbesondere die Einstellung von Spezialist*innen hat eine solche legitimierende Funktion. Es geht darum, nicht nur „die Fassade einer rationalen Organisation aufrecht zu erhalten, sondern die Dinge hinter der Fassade am Laufen zu halten.“[19]

Dieser Auffassung von Organisation folgt eine Haltung, die der Thematisierungsebene mehr Raum gibt als der Umsetzungsebene. Mit anderen Worten: Es wird geredet, das Handeln bleibt aus (Entkoppeln, Fassaden aufbauen, Gesicht wahren, Lippenbekenntnisse ablegen, Potemkinsche Dörfer aufbauen).


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[1]     „Unpersönlich“ im Sinne der Art und Weise der Geschäftsbeziehungen im Gegensatz zu persönlichen Geschäftsbeziehungen, die zu Korruption und Vetternwirtschaft führen können.

[2]     vgl. Weber, Max (1922): Wirtschaft und Gesellschaft. Weber selbst hat auch Kritik an formal-rationaler Bürokratiegestaltung geübt, dem Modell, das weiterhin die Grundlage des Verwaltungshandelns auch in Jugendämtern bildet. Kritikpunkte sind: Regeln, die zum Selbstzweck werden, Machtkämpfe zwischen Personen, Abteilungen, Aufgabenbereichen, Schwerfälligkeit durch Aktenmäßigkeit, Tendenz zur Überregulierung, Tendenz zur Stellenvermehrung, Stellungskriege zwischen Spezialisten und Bürokraten.

[3]     vgl. Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie.

[4]     Die nachfolgende Übersicht ist eine Zusammenfassung auf Grundlage des Buches von Kieser, Alfred und Ebers, Mark (2006): Organisationstheorien.

[5]     Ein Experiment in den Hawthorne-Werken zum Einfluss von Beleuchtungseffekten auf die Arbeitsleistung erbrachte die überraschende Erkenntnis, dass das Interesse der Forscher an den Arbeitsbedingungen weit größere Effekte erzielte als der technische Untersuchungsgegenstand selbst. Daraus entwickelte sich die These, dass das Interesse der Leitung für die Belange der Arbeitnehmer (Betriebsklima) entscheidenden Einfluss auf die Arbeitsleistung hat.

[6]     Wie in der Managementlehre, jedoch Umsetzung der Organisationsziele durch Indoktrinationsprozesse, die auf die Motivation der Mitarbeitenden zielen.

[7]     s. Abschnitt 0 Organisationslernen.

[8]     vgl. Dörner, Dietrich (1996): Die Logik des Misslingens.

[9]     Ambiguitätstoleranz meint das Ertragen von Widersprüchen.

[10]    Baecker 1994 zitiert nach Holtbrügge 2001, S. 204.

[11]    „Jede Organisation besteht aus Handlungen. Kein Mensch kann aber handeln, ohne selbst dabei zu sein. Er bringt sich selbst, seine Persönlichkeit, mit an die Arbeitsstelle. Die Organisation fordert ihm jedoch nicht nur spezifische Leistungen ab. Seine Gefühle und seine Selbstdarstellungsinteressen werden dabei kaum beansprucht. Sie lungern während der Arbeit funktionslos herum und stiften Schaden, wenn sie nicht unter Kontrolle gehalten werden.“ Luhmann, Niklas (2016): Der neue Chef, S. 43.

[12]    vgl. Argyris, Chris und Schön, Donald A. (2008): Die lernende Organisation: Grundlagen, Methode, Praxis.

[13]    Vgl. Hekele, Kurt (2014): Sich am Jugendlichen orientieren. Ein Handlungsmodell für subjektorientierte Soziale Arbeit.

[14]    Kieser, Alfred und Ebers, Mark (2006): Organisationstheorien, S. 355.

[15]    Ebd.

[16]    Kieser, Alfred und Ebers, Mark (2006): Organisationstheorien, S. 367.

[17]    s. evolutionstheoretische Ansätze.

[18]    Insbesondere in gemeinnützigen und sozialen Bereichen ist es aufgrund der Komplexität der Aufgabe und des „Technologiedefizits“ (d. h. des geringen Maßes an Operationalisierung) möglich, die Fassade von Effektivität und Effizienz lange aufrecht zu erhalten. Daher ist die Überraschung groß, wenn der Öffentlichkeit der Widerspruch zwischen kommunizierter Popularität und Wirklichkeit vor Augen geführt wird, wenn zweifelhafte Managementpraktiken bis hin zu kriminellen Handlungen aufgedeckt werden (Pflegedienste, Apotheken, Ärzte, freie Träger der sozialen Arbeit, Kirche).

[19]    Kieser, Alfred und Ebers, Mark (2006): Organisationstheorien, S. 377.