1. Warum braucht es Personalmanagement im Jugendamt?
Marie-Therese Dröschel
Alle 2 Jahre veröffentlicht die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik Daten zum Personal in der Kinder- und Jugendhilfe. Im Folgenden werden anhand der aktuellen Daten Entwicklungslinien und aktuelle Herausforderungen in Bezug auf die Personalsituation im ASD aufgezeichnet, die die hohe Relevanz von Personalmanagement im Jugendamt bzw. im ASD verdeutlichen.
In den ASD der Jugendämter in Deutschland arbeiteten 2018 ca. 17.000 Beschäftige bzw. ca. 15.000 Vollzeitäquivalente. Damit wurde ein erneuter Höchststand erreicht. Seit 2006 hat sich die Zahl der Beschäftigten um 80 Prozent erhöht und dadurch nahezu verdoppelt. Auch wenn sich die Wachstumsdynamik der letzten Jahre abgeschwächt hat, ist nach wie vor ein Ausbau des ASD-Personals zur verzeichnen. Dieser fällt in den Bundesländern unterschiedlich intensiv aus. Während der Personalbestand in Bayern zwischen 2016 und 2018 erneut um mehr als ein Zehntel gestiegen ist, gab es in Niedersachsen in derselben Zeitspanne einen Zuwachs von lediglich 2 Prozent.
Auch die Alterszusammensetzung im ASD hat sich im Zeitverlauf durch den Personalzuwachs deutlich verändert: Während 2006 die Beschäftigten zwischen 40 und 55 Jahren den größten Anteil der Arbeitnehmer*innen im ASD stellten, so war es 2018 die Gruppe der 25- bis unter 35-Jährigen, die am stärksten vertreten war. Gleichzeitig ist zu erkennen, dass der Anteil der Beschäftigten über 55 Jahren im ASD, insbesondere durch den langjährigen Verbleib von Beschäftigen im Arbeitsfeld, stetig zugenommen hat. 2018 lag ihr Anteil bei 18,5 Prozent. Damit geht ein Fünftel der ASD-Mitarbeiter*innen in den nächsten 10 Jahren in den Ruhestand.
Abbildung 2: Entwicklung der Altersstruktur der Beschäftigen im ASD[1]
Die Zahlen spiegeln den sich in vielen Kommunalverwaltungen vollziehenden Generationenwechsel wieder. Während langjährig berufserfahrene Mitarbeiter*innen den ASD verlassen, stoßen vermehrt junge Fachkräfte mit wenig Berufserfahrung hinzu. Wirft man einen Blick auf die Geschlechterverteilung, so wird deutlich, dass der überwiegende Anteil der Beschäftigten im ASD weiblich ist. Lediglich ein Fünftel der Fachkräfte ist männlich. Da viele junge Fachkräfte, die neu in den ASD kommen, die Familienphase noch vor sich haben, geht mit dieser Geschlechterverteilung häufig auch eine hohe Fluktuation des Personals einher. Aufgrund von Mutterschutz und Elternzeit verlassen Mitarbeiter*innen das Berufsfeld zumindest vorübergehend und müssen in dieser Zeit vertreten werden.
Nicht selten stellen Vertretungssitutationen im ASD eher die Regel statt die Ausnahme dar. Zudem können freie Stellen häufig nicht nahtlos wiederbesetzt werden, sodass es immer wieder zu teils längerfristigen Vakanzen kommt, die durch die vorhandenen Mitarbeiter*innen aufgefangen werden müssen. Dies führt zu Belastungsspitzen, die die Arbeitssituation einzelner Mitarbeiter*innen deutlich erschweren.
Mit der Verschiebung der Alterszusammensetzung zugunsten jüngerer Mitarbeiter*innen geht auch der steigende Bedarf an systematischer Einarbeitung und Wissensvermittlung einher. Gleichzeitig – und das wird häufig außer Acht gelassen – wir es immer wichtiger, berufserfahrene Beschäftigte möglichst lang im ASD zu halten.
Die Entwicklung macht deutlich, dass das Jugendamt und insbesondere der ASD zukünftig nicht mehr ohne ein systematisches Personalmanagement auskommen wird. Der Handlungsbedarf wird an vielen Stellen deutlich:
- Die schwierige Bewerberlage macht die Personalbeschaffung im ASD herausfordernd. Eine regelmäßige Analyse des Personalbestandes und eine darauf abgestimmte Personalplanung werden unabdingbar.
- Die Ausschreibung offener Stellen allein stellt sich zur Personalgewinnung als unzureichend dar. Um qualifizierte Fachkräfte für den ASD zu gewinnen, ist eine zielgerichtete Personalakquise erforderlich. Da Kommunal-verwaltungen verstärkt (untereinander) um Mitarbeiter*innen werben, ist die Verwaltung gefordert, ein Arbeitgebermarketing auf- bzw. auszubauen.
- Ein Fünftel der Mitarbeiter*innen im ASD verlässt das Arbeitsfeld in den nächsten 10 Jahren. Da es sich bei den ausscheidenden Beschäftigten i. d. R. um sehr berufserfahrene Fachkräfte handelt, verlässt mit den Menschen auch ein immenses Erfahrungswissen den ASD. Der Generationenwechsel in der Belegschaft stellt damit den Treiber für das Thema Wissensmanagement dar.
- Berufserfahrene Mitarbeiter*innen im ASD sind eine besondere Ressource im Personalbestand. Sie sind nicht nur Wissens- und Kompetenzträger*innen, sondern haben auch eine hohe Relevanz für das Funktionieren von pädagogischen Teams, indem sie z. B. für jüngere Kolleg*innen Orientierungs- und Supervisionsfunktion einnehmen. Gleichzeitig stellen Beschäftigte ab 55 Jahren auch eine besonders gefährdete Gruppe dar. Die Arbeit im ASD ist durch hohe Anforderungen gekennzeichnet. Mit fortschreitendem Alter geht einerseits die Zunahme an Krankheiten, andererseits die Abnahme der Regenerationsfähigkeit einher, sodass Krankheitsverläufe zum Teil länger dauern. Ältere Beschäftige stellen also eine Personalressource dar, die es besonders zu berücksichtigen gilt, um die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter*innen zu erhalten. Angesichts der demografischen Entwicklungen ist der öffentliche Dienst gefordert, Arbeit(sbedingungen) alternsgerecht zu organisieren.
- Der neuen Generation an ASD-Fachkräften steht die eigene Familiengründung häufig noch bevor. Eine permanente Fluktuation im Personalbestand wird natürlich. Ganz gleich ob Mutterschutz, Erziehungszeiten, Pflegezeiten oder berufliche Auszeiten (z.B. Sabbaticals) – die Personalplanung muss individuelle Lebensphasen von Beschäftigten im Zuge eines lebensphasenorientierten Personalmanagements berücksichtigen. Die Herausforderung besteht darin, den ASD als Dienst arbeits- und handlungsfähig zu halten. Dafür gilt es, die einzelne Stelle, aber auch den Dienst im Gesamten im Blick zu behalten.
- Angesichts des angespannten Bewerbermarktes kommt der Bindung des Bestandspersonals eine hohe Bedeutung zu. Die Investition in das Personal stellt eine Investition in die Arbeitsfähigkeit des ASD dar.
- Die Arbeitsrealität im Jugendamt hat sich in den letzten Jahren massiv gewandelt. Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung vermehrt Einzug in alle Arbeitsbereiche des ASD erhalten. Die konsequente Digitalisierung von Arbeitsschritten setzt ausreichend dafür qualifizierte Mitarbeiter*innen voraus.
- Dramatische Fälle von Kindern, die trotz Einbindung des Jugendamtes durch Misshandlungen oder unzureichende Versorgung zu Tode gekommen sind, haben die Arbeit des ASD in den letzten Jahren verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Mit der Debatte darüber, wie problematische Fallverläufe zukünftig verhindert werden können, ist eine Diskussion über fachliche Standards, aber auch über Arbeitsbedingungen im ASD entfacht. Das Uno-actu-Prinzip von sozialen Dienstleistungen im ASD macht deutlich, dass die Interaktion zwischen Fachkraft und Adressat*innen einen Kernbestandteil der Arbeit ausmacht. Das Thema Personal ist auf diese Weise besonders eng mit der Leistungserbringung verbunden.
Die aufgeführten Aspekte zeigen, dass eine alleinige Fokussierung auf das Thema Fachkräftemangel und Personalakquise dem Themenkomplex samt der darin enthaltenen Herausforderungen nicht gerecht wird. Stattdessen bedarf es Anstrengungen auf verschiedenen Ebenen. Deutlich wird, dass ein arbeits- und leistungsfähiger ASD weniger durch isolierte Einzelmaßnahmen, als vielmehr durch eine strategische Gesamtplanung vor Ort realisiert werden muss.
Aus diesem Grunde hat die Themen-AG „Fachkräftemangel“ sich auf eine umfassende Betrachtung des Themas verständigt, einzelne Aspekte des Personalmanagements theoretisch beleuchtet, diese praxisnah diskutiert und im Austausch von Best Practice-Beispielen Erfahrungswerte nutzbar gemacht. Die Ergebnisse sind in dieser Veröffentlichung dokumentiert. Vor den Best Practice-Beispielen der beteiligten Kommunen finden sich i.d. R. kurze Einführungskapitel zum jeweiligen Themenfeld.
[1] Vgl. Mühlmann, T. (2020): Personal im Jugendamt und im ASD. In: Kommentierte Daten der Jugendhilfe KomDat, 1/20, S. 9.