4. Ablauf(-organisation), Planungsaufgaben und Planungsprozesse
Leitsätze
Planung projektiert denken I Planung braucht Zeit – in allen Phasen
Was ist förderlich für die Organisation von Planungsaufgaben?
Planungsprozesse als Projekte zu definieren hat sich insbesondere für anlassbezogene Planungen als Vorgehensweise bewährt. „Planung projektiert denken" heißt, für die Planung von Veränderungs- und Entwicklungsvorhaben, Logik und Methoden des Projektmanagements anzuwenden. Auch für wiederkehrende, regelmäßig vorzunehmende Planungsprozesse (Beispiel Kitabedarfsplanung) kann es zweckmäßig sein, Projektmanagementtools aufzugreifen. Projektmanagement ermöglicht es, komplexe Zusammenhänge anschaulicher zu machen und Abläufe zu strukturieren. Sinnvoll ist es bei der Definition eines Vorhabens als Projekt zunächst drei Planungsebenen zu unterscheiden:
- Die Sachebene – Wie lautet der Projektauftrag? Wie ist das Projektziel?
- Die Methodenebene – Welche Methoden und Werkzeuge sollen zur Anwendung kommen?
- Die Beziehungsebene – Wen braucht es für das Projekt? Wie sind die Rollen verteilt? Welche Regeln gelten für die Kommunikation und den Umgang miteinander?
Weiterhin können Planungsprojekte grob in verschiedene Phasen untergliedert werden.
- In der Definitionsphase werden die Rahmenbedingungen und Ziele geklärt,
- In der Planungsphase werden Teams, Abläufe und Arbeitspakete aufgestellt,
- In der Durchführungsphase wird das Projekt umgesetzt und „kontrolliert" und
- In der Abschlussphase wird das Projekt ins Regelsystem implementiert, evaluiert und ggf. präsentiert.
In der Praxis zeigt sich bei größeren Projekten, dass insbesondere die Planungs- und Durchführungsphase nicht immer klar gegeneinander abzugrenzen sind. Wenn ein Planungsansatz verfolgt wird, der vorsieht, Ziele erst ergebnisoffen in Beteiligungsprozesse zu definieren, sind die Phasen eher als wiederkehrende Planungsschleifen zu betrachten. Insofern kann es durchaus förderlich sein, Projekte zu Beginn nicht bis zum Ende durchzuplanen, sondern sich Schritt für Schritt auf Teilprojekte zu fokussieren.
Nichtsdestotrotz zeigt die Erfahrung, dass es sich für das Projekt und die Planungsfachkraft auszahlt, zum Start ausreichend Zeit in die Planung der Planung und eine gute Definition des Projekts zu investieren. Mit einer guten Auftragsklärung und damit verbunden einer Rollenklärung (Entscheidungsbefugnisse, Kommunikationswege etc. ) kann der Erfolg eines Projektes stehen und fallen. Denn eine besondere Herausforderung von Projekten, die zumeist quer zur Linienorganisation liegen ist, dass in Projektteams häufig anderen Rollen und Beziehungen der Mitglieder gelten, als im Beziehungsgefüge des Regelsystems des Verwaltungsalltags. Für die Planungsfachkraft ist eine solche Klärung besonders bedeutsam. Planung projektiert zu denken führt unweigerlich zu der Frage nach dem Selbstverständnis der Planungsfachkraft im Planungsprozess: Ist sie primär Planerin, die eigenständig mit weitgehenden Entscheidungsbefugnissen Jugendhilfeprodukte „kreiert" bzw. weiterentwickelt? Leitet sie also das Projekt? Oder ist sie primär Koordinatorin bzw. Prozessbegleiterin des Veränderungsprozesses? Eines Prozesses, der unter Beteiligung der für das Gelingen einer Maßnahme wesentlichen Akteure gemeinsam beplant wird, wobei Entscheidungen durch Leitungskräfte gefällt werden? Bringt sich die Planungsfachkraft auch inhaltlich, konzeptionell in die Ziel- und Maßnahmenplanung ein oder beschränkt sie sich auf methodischen Input für das Gelingen des Entwicklungsprozesses und auf die Moderation? Nicht zuletzt hängt die zu findende Antwort eng zusammen mit dem Planungsanspruch und -verständnis der Leitungskräfte, die später für die Umsetzung Verantwortung tragen sollen.
Als hilfreiches Werkzeug zur Projektdefinition bietet es sich an, z.B. einen Projektsteckbrief zu erstellen, der die wesentlichen Punkte und Risiken eines Projektes aufführt und den Umfang verdeutlicht (siehe Selbstcheck Projektsteckbrief, Seite 32). Als weiteres hilfreiches Instrument für die Planung der Planung und zur Erlangung von mehr Klarheit, kann ein Projektstrukturplan dienen, mit welchem Projekte in kleinteilige Arbeitspakete zerlegt werden. Über einen solchen Plan gelangen Aufwand, Fristen und mögliche Stolpersteine besser in den Blick.
Ein wesentlicher Gelingensfaktor für eine projektierte Planung mit Instrumenten des Projektmanagements ist gegeben, wenn in der Organisation die Akzeptanz für ein derartiges Vorgehen vorhanden ist. Wenn Leitungskräfte und Projektbeteiligte bereits gute Erfahrung mit projektierten Planungen gemacht haben und wenn sich schon Wissen über Methoden findet, steigt die Wahrscheinlichkeit mit dem Vorgehen zum Erfolg zu kommen, da dann „mit einer Sprache" gesprochen wird.
Weiterhin ist für die Planung von Projekten bedeutsam, von Beginn an die Schnittstellen und die Verquickung mit anderen Projekten, Vorhaben und Entwicklung in der Verwaltung mitzudenken. Wenn auf Leitungsebene im Rahmen einer strategischen Planung eine Übersicht der laufenden und anstehenden Planungs- und Entwicklungsprozesse gepflegt wird, ermöglicht das eine bessere und verlässlichere Zeit- und Ressourcenplanung.
Was ist hinderlich für die Organisation von Planungsprozessen?
Eine gute Planung braucht Zeit. In der Organisation von Vorhaben wird der zeitliche Aufwand für Planungs- und Abstimmungsprozesse häufig unterschätzt, da zu Beginn nur eine verkürzte Auftragsklärung vorgenommen wird. Wenn in der Verwaltung, bei Auftraggebenden und Leitungskräften, kein Bewusstsein für den zeitlichen und personellen Aufwand eines Projektes vorhanden ist, besteht für Planungsfachkräfte die Gefahr, dass die Ansprüche an die Auftragserledigung die Möglichkeiten der Fachkräfte übersteigen und / oder sie mit weiteren Planungsaufträgen „überhäuft" werden. Zu viele und zu große Planungsprojekte zur gleichen Zeit sind nur sehr schwer händelbar und bedürfen einer mit Leitung abgestimmten Priorisierung und einer offenen und transparenten Kommunikation über Möglichkeiten und Grenzen der Fachkraft.
Eine Schwierigkeit bei der Auftragsklärung kann darin bestehen, dass die Auftraggebenden selbst keine klare Zielvorstellung haben und entsprechend nur ungenau und abstrakt Aufträge erteilen. Leitungskräfte nehmen sich häufig nicht die Zeit für die reflektierende Auseinandersetzung mit der Frage des Warums. Für die Planungsfachkraft besteht dann die Herausforderung darin, entweder mit der fehlenden Klarheit umzugehen, eigene Vermutungen anzustellen, wie das Vorhaben aussehen könnte (was ein hohes Risiko birgt), oder die Unklarheit an die Auftraggebenden zurück zu spiegeln und für die Auftragsklärung eine längere Planungsschleife einzuplanen (was zumeist eines sensiblen kritischen Vorgehens bedarf). Die in der Organisation zu reflektierende Frage bleibt, wer für die Beseitigung der Auftragsunklarheit verantwortlich zeichnet. Ob die Planungsfachkraft hier Verantwortung übernimmt, hängt stark vom Eigeninteresse am Auftrag und dem Selbstverständnis der Fachkraft und ihrer Rolle im Gesamtgefüge des Systems ab.
Wenn in der Auftragsklärung die zeitliche Dimension von Projekten unterschätzt wird, birgt dies weitere Gefahren. Aufgrund von Termin- und Arbeitsdruck werden häufig zu geringe Pufferzeiten für die und in der Planung von Projekten veranschlagt. Es wird zu optimistisch geplant und übersehen, dass Planungsfachkräfte zumeist mehrere Projekte gleichzeitig bedienen. Pufferzeiten sind umso relevanter, wenn ins Auge gefasst wird, dass Planungsfachkräfte in der Praxis zudem häufig mit zusätzlichen Adhoc- Aufträgen und planungsfremden Aufgaben konfrontiert werden, weil sich in der Regelorganisation keine klare Zuständigkeit findet. Diese Aufträge – sei es z.B. die Definition von Schnittstellen zwischen Aufgabenfeldern, das Schreiben von Pressemitteilungen oder Projektanträgen o.ä. - gehen zu Lasten einer wirksamen und gelingenden Planung, weil sie eine kontinuierliche und fokussierte Planung von Projekten erschweren. Zudem wachsen Adhoc-Aufträge nicht selten zur Projektgröße heran und bedürfen dann einer eigenen Projektplanung. Zu viele (Adhoc)-Aufträge und Zusatzaufgaben sind Zeitfresser.
Für eine Organisation von Planungsprojekten, die darauf setzt, dass eine gute Auftragsklärung, Projektmethoden und Projektlogiken jenseits der Linienorganisation zum Projekterfolg führen, ist bedeutsam, dass Wissen und Akzeptanz der Vorgehensweisen in der Organisation vorhanden sind. Dies ist an vielen Stellen nicht gegeben. Eine projektierte Planung, mit ungewohnten Entscheidungswegen und -methoden, mit anderen, vielleicht sogar nicht geklärten Weisungskompetenzen als im Regelsystem, bedürfen der proaktiven Unterstützung von Auftraggebenden und Leitungskräften. Fehlendes Vertrauen und mangelnder Rückhalt für ein Projekt können alle guten Planungsansätze überlagern. Die Klärung solcher Störungen in der Kommunikation und der Frage, wie sich Leitungen in Bezug auf den Planungsprozess positionieren, sind sinnvollerweise mit Vorrang anzugehen.
Wie die Ausführungen zu förderlichen und hinderlichen Faktoren der Organisation von Planungsprozessen zeigen, sind Planungsfachkräfte in mehreren sich überlagernden Spannungsfelder unterwegs. Alle bringen ihre eigenen Fragestellungen mit sich und können für die Planungsfachkräfte einen konstruktiven Reflexionsanlass bieten. Ein für sich selbst geklärtes Rollen- und Selbstverständnis wiederum, kann nur förderlich sein für das Gelingen von Planung.
Planungsakteure
Zum Kreis der Planungsakteure bzw. -beteiligten werden u. a. gezählt:
- Politik: Rat/Kreistag, Jugendhilfeausschuss, Jugendhilfeunterausschuss
- Kreisangehörige Kommunen
- Verwaltung Jugendamt: Verwaltungsspitze, Jugendamtsleitung, Leitungskräfte, Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter, Finanzcontrollerinnen und -controller, Fachcontrolling, Jugendhilfeplanerinnen und -planer, weitere Planungsfachkräfte (z.B. Kitabedarfsplanung, Frühe Hilfen)
- Verwaltung Schnittstellen: Planungsfachkräfte wie z. B. Sozialplanung, Schulentwicklungsplanung, Abteilung Statistik, Administration Jugendhilfefachsoftware, IT-Abteilung
Zusammenarbeit und Kommunikation
Wie bereits herausgestellt wurde, ist Kommunikation und eine Abstimmung zwischen den Planungsbeteiligten notwendig, damit Jugendhilfeplanung effektiv umgesetzt werden kann. Dazu zählt z.B. der regelmäßige Austausch zwischen Fachkräften der Jugendhilfeplanung und der Führungsebene sowie eine offene Zusammenarbeit zwischen allen vorhandenen Planungsfachkräften im Jugendamt. Die Bildung einer “Steuerungsgruppe Jugendhilfe(planung)” unter Beteiligung von Leitungs- und Fachkräften wird darüber hinaus als zielführend eingeschätzt.
Planungsaufgaben
Die Planungsaufgaben wurden bereits in Kapitel 2 beschrieben. Die Herausforderung der Planungsorganisation und –struktur besteht sodann darin, diese Vielfalt an Aufgaben mit dem großen Kreis der (potenziellen) Planungsakteure zusammenzubringen und dabei dem Anspruch an Zusammenarbeit und Kommunikation gerecht zu werden. Um die im anschliessenden Selbstcheck aufgeworfenen Fragestellungen innerhalb der eigenen Organisation zu beantworten, ist es zielführend, sich einen strukturierten Überblick über die Aufgaben, Akteure und Funktionen (Verantwortungen) im Gesamtprozess Jugendhilfeplanung zu verschaffen.
Hierzu wurde eine Matrix in Form einer Excelarbeitsmappe entwickelt. Diese Matrix kann zur Eigenreflexion, aber auch für eine gemeinsame Betrachtung und Ausrichtung im (Leitungs-)Team, Jugendhilfeausschuss o.ä. genutzt werden. Aufgeführt werden die Aufgaben und Akteure, denen durch farbliche Markierungen und/oder Kürzel innerhalb der Tabelle die Funktionen (Verantwortungen) zugeordnet werden. Die Tabelle ist exemplarisch angelegt und kann bzw. muss an die individuellen Gegebenheiten in der eigenen Organisationsstruktur angepasst werden. Eine allgemeingültige Aussage oder Empfehlung ist aufgrund der Diversität der Jugendämter nicht möglich.
Ziel der Arbeitshilfe kann die Erstellung eines individuellen Planungsmodells im Ist- sowie Soll-Zustand sein. Aufgrund der Größe der Tabelle wird sie ergänzend zu diesem Dokument in einer separaten Exceldatei als digitale Arbeitshilfe für die eigene Weiterarbeit zur Verfügung gestellt.
Dieses Kapitel zur Planungskultur schließt mit einem „Selbstcheck“ ab.
Selbstcheck Projektsteckbrief: Wo steht Ihre Organisation?
| Projektidee/ Kurzbeschreibung: Was sind die zentralen Elemente des Projekts? |
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| Bedarf/ Zweck: Was ist der Grund für das Projekt? Gibt es einen strategischen Zweck? |
| Projektziel(e): Welche Ergebnisse stehen am Ende? Für wen werden die Ergebnisse von Nutzen sein? |
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Termine: Wann beginnt und wann endet das Projekt? |
Projektorganisation: Wie sind die Projektverantwortlichkeiten verteilt und welche Entscheidungsbefugnisse gehen damit einher? Wer ist Projektleitung? Wer gehört zum Projektteam? Wer ist Auftraggeber? Welcher Gremien bedarf es? | |
Ressourcen: Welcher personellen, finanziellen und sachlichen Ressourcen bedarf es? | |
Planung: Welche Projektschritte und Zwischenergebnisse sind geplant? | |
Restriktionen: Welche Randbedingungen/ Auflagen/ Schnittstellen sind zu berücksichtigen? Welche Probleme und Hindernisse sind zu erwarten? | |
Projektsteuerung: Welche Maßnahmen sind zur Überprüfung des Projektfortschritts und zur Projektsteuerung geplant? | |
Berichtswesen: wem wird wann und worüber berichtet? |
Selbstcheck Auftrags- und Rollenklärung: Wo steht Ihre Organisation?
| Wer hat welche Befugnisse und Entscheidungs- und Weisungskompetenzen? Wer entscheidet worüber? |
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| Hat die Planungsfachkraft im Projekt weitgehenden Entscheidungsbefugnisse „kreiert" bzw. entwickelt weitgehend eigenständig weiter? Ist sie Projektleitung? |
| Ist die Planungsfachkraft Koordinatorin bzw. Prozessbegleiterin des Veränderungsprozesses, der unter Beteiligung der für das Gelingen einer Maßnahme wesentlichen Akteure gemeinsam beplant wird, wobei Entscheidungen durch Leitungskräfte gefällt werden? |
| Bringt sich die Planungsfachkraft inhaltlich, konzeptionell in die Ziel- und Maßnahmenplanung ein oder beschränkt sie sich auf methodischen Input für das Gelingen des Entwicklungsprozesses und auf die Moderation? |
Wie wird miteinander kommuniziert? |