2. Planungsaufgaben

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Planungsaufgaben

Gunnar Rohde

Leitsätze

Entscheidend ist nicht, welche Funktion die Planungsaufgaben der Jugendhilfe übernimmt, sondern dass die notwendigen und gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben durch das Jugendamt wahrgenommen werden.

Wohl kaum ein Aufgabenfeld im Jugendamt ist so komplex und zugleich unscharf wie das der Jugendhilfeplanung. Es gibt Schnittmengen im Aufgabenspektrum der Jugendhilfeplanung zwischen den Jugendämtern, aber gleichzeitig auch eine erhebliche Unterschiedlichkeit. Diese Feststellung bestätigt sich immer wieder im Austausch unter den Kolleginnen und Kollegen in Niedersachsen. Aus diesem Grund macht dieses Kapitel den Versuch, diese Komplexität abzubilden.

Zur Abgrenzung von Jugendhilfeplanung zu angrenzenden Tätigkeitsfeldern

Die fehlende Trennschärfe im Aufgabenprofil der Jugendhilfeplanung ist ein Grund, dass dieses Profil in nahezu jedem Jugendamt unterschiedlich ist und Teile von Planungsaufgaben auch von anderen Funktionen im Jugendamt wahrgenommen werden. Qualitätsentwicklung, -management, Wirksamkeitsanalysen/Zielüberprüfungen, Qualitätsentwicklungsgespräche mit Leistungserbringern sind Beispiele für Aufgaben, die in vielen Fällen vom Fachcontrolling, Fachberatung und/oder (Bereichs/Fachdienst-) Leitungen übernommen werden. Idealtypisch sind die hier beispielhaft genannten Aufgaben keine Planungsaufgaben, aufgrund der Realitäten in den Jugendämtern und der dargestellten Abgrenzungsproblematik ist eine Expertise der Planungsfachkräfte zu diesen Themen dennoch gut und wichtig. Eine eindeutige Abgrenzung der Tätigkeitsfelder ist hier allerdings weder möglich noch sinnvoll, es liegt vielmehr in der Hoheit der Jugendämter, dies im Einklang mit den jeweiligen Verwaltungsstrukturen zu entscheiden. Zum Verhältnis Jugendhilfeplanung und Leitungen muss man festhalten, dass Leitungen im Rahmen Ihrer Steuerungshoheit für ihren Bereich immer auch ein Stück weit Planungshoheit beanspruchen. Das ist ebenso sinnvoll und notwendig wie die daraus erwachsende Verpflichtung zur kooperativen Abstimmung der planerischen Aufgabenverteilung zwischen Jugendhilfeplanung und Leitung.

Es gibt auch Jugendämter mit einer Organisationsstruktur, in der Jugendhilfeplanung nicht explizit im Stellenplan hinterlegt ist und Planung von Leitungen und/oder angrenzenden Fachplanungen im Sozialdezernat übernommen wird. Entscheidend ist nicht, welche Funktion die Planungsaufgaben der Jugendhilfe übernimmt, sondern dass die notwendigen und gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben durch das Jugendamt wahrgenommen werden. Allerdings zeigen die Erfahrungen aus der Jugendamtspraxis, dass eine entsprechend personell besetzte und explizit als Jugendhilfeplanung deklarierte Stelle ein förderlicher Faktor zur qualitativ guten Erfüllung dieser Aufgaben ist.

Regelkreis der Planung

Die Frage, welche (Planungs-)Aufgaben in welcher Komplexität von welchen Funktionsbereichen der Verwaltung wahrgenommen werden, wird an dieser Stelle nicht beantwortet. Stattdessen identifiziert ein Regelkreismodell der Planung 1 wesentliche Teilaspekte eines Planungsprozesses, denen wiederum spezifizierte Teilaufgaben zugeordnet sind:

 

Abbildung 3: Komplexität der Planungsstruktur

 

Diese Aspekte finden sich im Übrigen in seinen Kernpunkten auch im § 80 SGB VIII wieder. Jedes Jugendamt kann gemäß seiner Prioritätensetzung eine Differenzierung in Muss-, Soll- und Kann-Aufgaben vornehmen. Aufgrund der Fülle der Aufgaben erhebt die nachstehende Übersicht keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern kann gekürzt bzw. erweitert werden.

Sie soll eine Arbeits- und Strukturierungshilfe für die Jugendämter sein und helfen, daraus eine eigene Priorisierung zu entwickeln. Ebenso müssen nicht alle Teilaspekte des Regelkreismodells berücksichtigt werden, denn Planung kann unterschiedlich komplex betrieben werden. Diese unterschiedliche Komplexität ergibt sich aus einem reduzierten Aufgabenkanon in reduzierten Regelkreismodellen, bspw. Bestand - Bedarf - Maßnahme.

 

Zielentwicklung

Priorität

Politik setzt Prioritäten

 

Politik entscheidet über Jugendhilfeplanung

 

Jugendhilfeausschuss setzt Ziele für Jugendhilfeplanung

 

Jugendamtsleitung setzt Ziele für Jugendhilfeplanung

 

Jugendhilfeplanung setzt die Ziele selbst

 

 


Zielsetzungen / Zielentwicklungen sind Vorrausetzung für Jugendhilfeplanung, um handlungsfähig zu sein. Dies kann / sollte über verschiedene Wege geschehen:

  • Jugendhilfeausschuss gibt Ziele für die Jugendhilfeplanung vor (z.B. „alle Maßnahmen an der Schaffung von Bildungschancen für arme Kinder ausrichten“)
  • Ziele durch die Verwaltungsleitung einer Kommune (Landrat/Landrätin, Bürgermeister/Bürgermeisterin, Dezernent/Dezernentin,..)
  • Ziele durch die Amtsleitung
  • Jugendhilfeplanung schlägt der Amtsleitung / Verwaltungsleitung Ziele vor (Leitung entscheidet!)

Rolle des Jugendhilfeausschusses in der Jugendhilfeplanung

Zu den Aufgaben des Jugendhilfeausschusses gehört es, sich mit der Jugendhilfe-planung zu befassen (§ 71 SGB VIII). Die Einbindung des Jugendhilfeausschusses in die Jugendhilfeplanung ist daher ein fachlicher Mindeststandard von Planungs-prozessen. In der kommunalen Planungspraxis wird allerdings die Rolle des Ausschusses höchst unterschiedlich gelebt. Während in manchen Kommunen der Jugendhilfeausschuss treibende Kraft für Planung ist, muss in anderen Kommunen die Verwaltung die Aufmerksamkeit der Politik auf Planung und ihre Ergebnisse lenken.

Vor dem Hintergrund der Zweigliedrigkeit des Jugendamtes (§ 70 SGB VIII) ist eine aktive Rolle des Jugendhilfeausschusses und seinen Aufgaben entsprechend wünschenswert und anzustreben. Der Wechsel der Ausschussmitglieder und/oder innerhalb der Verwaltung führen nicht selten zum Verlust von fachlichem Know-how, auch Zusammenarbeit zwischen neuen Akteuren braucht Zeit zur Entwicklung. Die Verwaltung kann/soll sich daher die Frage stellen, welche Modelle der Qualifizierung des Jugendhilfeausschusses möglich und notwendig sind, um ihn bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben zu unterstützen (Strukturqualität im Jugendamt).

  1. Bestandsdarstellung

Priorität

Regelmäßige Datenerhebungen und Auswertungen zur Angebotsstruktur (Angebot, Output: Plätze od. Leistungen, Angebotsort und Einzugsbereich, Qualität, Erfolg, Verfügbarkeit, Zielgruppe).

 

Regelmäßige Fortschreibung eines Berichtswesens zur Angebotsstruktur

 

Regelmäßige Trägergespräche zur Datenerhebung

 

Eigenverantwortliche Datenbereitstellung durch die Träger

 

Zentrale Datenerhebung

 

Eigenständige Datenrecherche durch Jugendhilfeplanung

 

 

2. Bedarfsanalyse

Priorität

regelmäßige Datenerhebung und Auswertung (quantitativ und qualitativ) von

-          Sozialstrukturdaten

-          Inanspruchnahmedaten von Plätzen und Leistungen

-          Befragungsdaten von Zielgruppen

-          Daten aus Beteiligungsprojekten

 

 

2 .1Bedarfsanalyse - Fortsetzung

Priorität

Regelmäßiger Abgleich von Bestand und Bedarf

 

Rückbezug der Ergebnisse auf die Ziele

 

Vorhersagen zukünftiger Bedarfsentwicklung

 

Trägerbefragung

 

Planungsgruppen und/oder Sozialraumkonferenzen zur Bedarfsanalyse

 

Befragung von Fachleuten im Amt

 

Kita- Bedarfsprognose

 

...

 


3 .Maßnahmeentwicklung

JHA/Verwaltung treffen die Entscheidung über den Bedarf

Beschreibung von Zielgruppen, Angebotsort und erwünschten Wirkungen neuer Maßnahmen

Weitergabe der beschriebenen Bedarfe in den JHA / AG § 78

Beschreibung der gewünschten Qualität von Angeboten

Öffentliche Bekanntgabe der gewünschten Maßnahmen

Eigenrecherche geeigneter Angebote.

Ich beschreibe Qualifizierungsbedarfe:

-                      beim Personal des Jugendamtes

-                      beim Personal der Träger

4. Umsetzungskontrolle

Priorität

Überprüfung Zielerreichung

 

Laufende Überprüfung der Umsetzung

 

regelmäßige Datenerhebung

 

Kundenzufriedenheitsbefragungen

 

Nutzung der Ergebnisse des Fach- und Finanzcontrollings.

 

Regelmäßige Rückkopplung mit Politik, Verwaltung und Leistungserbringern

 

Umsetzungskontrolle ist regelmäßiger Berichtspunkt in JHA / AG § 78

 

Überprüfung Zielerreichung

 

 

5. Fortschreibung

Priorität

Einschätzung der Bedarfe wird regelmäßig angepasst

 

Überprüfung des Erfolgs der Maßnahme

 

Ziele werden bei Bedarf angepasst

 

Reflektion mit den Leistungserbringern über Erfolg / Misserfolg

 

Reflektion mit den eigenen Fachkräften über Erfolg / Misserfolg

 

Bericht zum Erfolg der Maßnahme

 

 




Planungsdreischritt Bestandserhebung – Bedarfsfeststellung – Bedarfsprognose

Die Jugendhilfeplanung soll den Bestand an Angeboten und Einrichtungen erheben, Bedarfe der Jugendhilfe feststellen und kommende Bedarfe prognostizieren. Sie ist somit ein zukunftsorientiertes Instrument zur fachlichen Steuerung der Jugendhilfe.

Hieraus ergeben sich Schnittstellen mit anderen Aufgabenbereichen:

  • Schnittstelle Leistungs- und Entgeltverhandlungen (LEQ-Vereinbarungen nach § 78a ff. SGB VIII)
  • Schnittstelle zum Qualitätsmanagement (Qualitätsdialog § 78f SGB VIII in allen Arbeitsfeldern / Qualitätsentwicklung § 79a SGB VIII)
  • Schnittstelle Fachcontrolling

Beteiligung in der Jugendhilfeplanung

Die Jugendhilfeplanung ist nach § 80 SGB VIII gefordert, frühzeitig anerkannte freie Jugendhilfeträger, aber auch junge Menschen und Familien (Adressatenbeteiligung) zu beteiligen. Die Frage, wie Beteiligung vor Ort realisiert werden kann, ist auch von den fachlichen Grundprämissen abhängig, nach denen in den Städten und Landkreisen gearbeitet wird. Die Arbeit nach dem sozialpädagogischen Fachkonzept Sozialraumorientierung favorisiert beispielsweise eine bedarfsorientierte Planung gegenüber dem angebotsorientierten Ansatz.

Aus Sicht der Arbeitsgruppe sind in Bezug auf die Planungsaufgaben folgende förderliche und hinderliche Faktoren zu berücksichtigen:

Förderliche Faktoren

Die Aufgaben für die JHP sind festgelegt

Die Aufgaben legitimieren die JHP, in der Organisation zu agieren.

Der Auftrag für die JHP ist klar

Hinderliche Faktoren

Die Aufgaben für die JHP variieren beliebig

JHP ist mit planungsfremden Aufgaben blockiert (Ressourcen fehlen für die eigentliche Aufgabenerfüllung)




Dieses Kapitel zur Planungskultur schließt mit einem „Selbstcheck“ ab.

Selbstcheck: Wo steht Ihre Organisation?


 

Gibt es ein Bewusstsein über die (originären) Aufgaben von Jugendhilfeplanung?

 

Gibt es ein Bewusstsein, welche Aufgaben darüber hinaus der Jugendhilfeplanung zugeordnet worden sind?

 

Besteht Klarheit über die Aufgabenteilung zwischen operativen und strategischen Planungsaufgaben?

 


Besteht Klarheit über die Aufgabenteilung zu angrenzenden Aufgabenfeldern (Controlling, Qualitätsmanagement etc.)?