3. Die Fachkräfte im Pflegekinderwesen und die Ausstattung von Pflegekinderdiensten
Auf die Qualifikation der Fachkräfte in der öffentlichen Jugendhilfe wird in § 72 SGB VIII näher eingegangen. Dabei sollen in der Jugendhilfe hauptberuflich nur Personen beschäftigt werden, die sich für die jeweilige Aufgabe nach ihrer Persönlichkeit eignen und eine dieser Aufgabe entsprechende Ausbildung erhalten haben oder aufgrund besonderer Erfahrungen in der sozialen Arbeit in der Lage sind, die Aufgabe zu erfüllen. Weiterhin wird gefordert, dass für spezifische Aufgabenstellungen nur Fachkräfte mit entsprechenden Zusatzqualifikationen zu betrauen sind. Der Pflegekinderdienst ist in diesem Zusammenhang als eine Spezialaufgabe im Jugendamt anzusehen, die von den dort arbeitenden Fachkräften eine entsprechende Ausbildung und ein entsprechendes Kompetenzprofil verlangt. Ausgehend von einer Arbeitsplatzbeschreibung für Fachkräfte im Pflegekinderbereich werden im Kapitel 3.1 die von Fachkräften erwartbaren Kompetenzen benannt und für die Personalauswahl empfohlen. Darüber hinaus müssen Jugendämter gemäß § 72 SGB VIII Fortbildungen und unterstützende Supervision und/oder kollegiale Fachberatung zur Weiterqualifizierung der Fachkräfte anbieten. Im Kapitel 3.2 werden Themenbereiche für die Fortbildung von Fachkräften benannt und Anregungen zur Gestaltung des Gesamtkomplexes „Qualifikation von Fachkräften“ gegeben.
Die Arbeit von Pflegekinderdiensten ist wesentlich von den in ihnen arbeitenden Fachkräften bestimmt, aber auch von der Ausstattung der Dienste: Raumgestaltung, technische Ausstattung etc. darf nicht unterschätzt werden. Wünschenswertes zur Ausstattung ist in Kapitel 3.3 zusammengestellt.
3.1 Arbeitsaufgaben und Kompetenzerwartungen
a) Aufgabenstellung
Die gesamten Empfehlungen beschäftigen sich im Detail mit den Aufgabenstellungen des PKD und führen diese näher aus bzw. es werden Vorschläge gemacht, wie damit umgegangen werden kann. Nachstehend werden diese Aufgabenstellungen in kurzer Form nochmals zusammenfassend dargestellt. Dabei handelt es sich um die Arbeiten, die in der Regel durch den PKD geleistet werden und Grundlage von dessen Arbeitsplatzbeschreibung sind:
- Werbung und Öffentlichkeitsarbeit als Darstellung des Arbeitsbereiches des PKD und zur Gewinnung von neuen Pflegepersonen
› Feststellung der Eignung von Bewerberinnen und Bewerbern
› Vorbereitung und Qualifizierung der zukünftigen Pflegeeltern
- Beratung und Information des ASD über Angebote des PKD
› Mitwirkung an der Entscheidung im Falle einer geplanten Fremdplatzierung in Kooperation mit dem ASD und anderen beteiligten Diensten und Institutionen und den Herkunftseltern und Kindern/Jugendlichen
- Auswahl der geeigneten Pflegefamilie
› Herstellung des Erstkontaktes zwischen Pflegeeltern, der Herkunftsfamilie und dem Kind
› Gestaltung der weiteren Kontaktanbahnung und Kontaktaufnahme
› Begleitung der Eingewöhnungsphase
- Beratung, Unterstützung und Aufsicht der Pflegefamilien
› Arbeit mit dem Pflegekind
› Arbeit mit den Pflegeeltern (einzeln und in Gruppenveranstaltungen)
› Unterstützung bei persönlichen Kontakten zwischen Pflegekind und Herkunftsfamilie
› ggf. Installierung weiterer ambulanter Hilfen bei laufendem Pflegeverhältnis
› Unterstützungsmanagement (Kontakte zu Ärzten, Schulen, Therapeuten usw.)
› Arbeit mit der Herkunftsfamilie im Rahmen von Kontakten
› Begleitung und Mediation von Entscheidungsprozessen mit den beteiligten Personen und Institutionen
› Organisation und Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen für Pflegeeltern
- Verantwortliche Steuerung des Hilfeplanverfahrens bei auf Dauer angelegter, unbefristeter Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII
› Gestaltung der Übernahme eines Jugendhilfefalles nach § 86 Abs. 6 SGB VIII und Kooperation mit dem betreffenden Jugendamt
- Einleitung weiterer Hilfen bei Beendigung oder Abbruch des Pflegeverhältnisses
› Vorbereitung und Unterstützung der Realisierung einer Rückkehroption
› Unterstützung bei der Verselbstständigung
- Anrufung des Familiengerichts (Anträge, Stellungnahmen)
› Kooperation mit Amtsvormündern
› Falldokumentation und Aktenführung
› Verwaltungsaufgaben (Anträge, Bescheinigungen, usw.)
- Kooperationen mit anderen Jugendämtern (z. B. Werbung, Fortbildungen)
› Kooperation mit freien Trägern (z. B. bei Überleitungen in stationäre Einrichtungen)
› Mitarbeit in den übergreifenden niedersächsischen Fachgremien
- Teilnahme an Fortbildungen und Supervision
› Aufstellung von (Jahres-)berichten
› Durchführung von Evaluationen (mit Unterstützung des Jugendamtes)
Zur Bewältigung dieser Aufgaben werden zum einen eine entsprechende sächliche Ausstattung und zum anderen Fähigkeiten in den Bereichen der fachlichen und personalen Kompetenz benötigt.
b) Kompetenzen
Die notwendigen Kompetenzen in diesem Sachgebiet ergeben sich aus den allgemeinen Anforderungen an die Sozialarbeit und den spezifischen Anforderungen, die die Arbeit im Pflegekinderdienst mit sich bringt. Im Wesentlichen sind es die zwei Bereiche der fachlichen und personalen Kompetenz, die zur Aufgabenerfüllung notwendig sind und die auch durch Fort- und Weiterbildungen gesichert und ausgebaut werden müssen:
- Fachliche Kompetenz:
› Kenntnisse des Analysierens von Problemen und des organisierten Zusammenwirkens mehrerer Fachkräfte (Bereiche der Sozialpädagogik/Psychologie)
› Umfassende Kenntnis im Bereich der Entwicklungspsychologie und dem Erkennen der Folgen von Beeinträchtigungen
› Kenntnisse im Bereich der systemischen Arbeit / des systemischen Ansatzes
› Wissen über die Ermittlung von Ressourcen
› Methodenkenntnisse
› Kenntnisse über sozialräumliches Arbeiten
› Kenntnisse über die Funktion, die Grundzüge des Rechts und Aufgaben der öffentlichen Verwaltung
› Grundlegende betriebswirtschaftliche Kenntnisse
› Kenntnisse in der Handhabung einschlägiger Computerprogramme
› Umfassende Kenntnisse der einschlägigen Rechtsvorschriften (vgl. Anhang „rechtliche Regelungen“)
- Personale Kompetenz:
› Kommunikative Fähigkeiten (konstruktive Gesprächsführung, Moderation von Sitzungen und Konferenzen, verständliche Darstellung von Sachverhalten, usw.)
› Fähigkeit zu „bürgerfreundlichem“ Auftreten
› Fähigkeit zu Empathie
› Fähigkeit zu Kooperation und kollegialer Beratung
› Fähigkeit zum Konfliktmanagement
› Fähigkeit zu effektiver Arbeitsorganisation und langfristiger Planung
› Fähigkeit zum schriftlichen Ausdruck (Bescheide, Hilfepläne, Arbeitsergebnisse, Briefe usw.)
3.2 Fortbildung, Weiterbildung und Supervision der Fachkräfte
Die öffentlichen Träger der Jugendhilfe sind nach § 72 Abs. 3 SGB VIII verpflichtet, durch Fortbildungen und Fachberatungen die Qualität der Arbeit durch Qualifizierung der Fachkräfte sicherzustellen.
a) Fort- und Weiterbildung
Die Qualifizierung der Fachkräfte muss auf die Stärkung und Entwicklung der benötigten Kompetenzen gerichtet sein (vgl. Kap. 3.1). Nachstehend werden beispielhaft sinnvolle Themengebiete für Fort- und Weiterbildungen aufgelistet. Entsprechende Bildungsmaßnahmen dürfen den Fachkräften nicht verwehrt werden, da nur so ein aktueller Stand des Wissens im Pflegekinderdienst garantiert werden kann.
- Themenbereiche für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen im PKD („klassische“ Beispiele):
› Kindeswohlgefährdung (Erkennen und Handeln)
› Bindungstheorie
› Resilienz
› Biografiearbeit
› Entwicklungspsychologie
› Verhaltens- und Entwicklungsstörungen
› Psychische Erkrankungen (Eltern und Kinder)
› Gesprächsführung und Moderation
› Öffentlichkeitsarbeit und Werbung
› Methoden der Gruppenarbeit
› Betreuung von Pflegefamilien und Kindern in unterschiedlichen Hilfearten
› Persönliche Kontakte zwischen Pflegekind und Herkunftsfamilie
› Betroffenenbeteiligung
› Verwaltungshandeln, Rechtsfragen
› Technische Fortbildungen (Computer, Software-Programme)
Daneben sind andere Themenbereiche denkbar. Zu empfehlen ist eine Vielzahl von unterschiedlichen Themen, um einer einseitigen Ausrichtung der Pflegekinderdienste entgegenzuwirken und um in der täglichen Arbeit auf eine Vielzahl vom Kompetenzen und Perspektiven zurückgreifen zu können. Selbstverständlich ist, dass immer wieder neue Themenkomplexe entdeckt und für das Pflegekinderwesen virulent werden. Bei der Fortbildungsplanung ist auch darauf auf jeden Fall zu achten.
b) Kollegiale Fachberatung
Ebenso wichtig wie die Fort- und Weiterbildung sind im Pflegekinderdienst die Reflexion des eigenen Verhaltens und der Austausch im Fachkollegium. Dazu sind Zeiten und Strukturen verbindlich einzuplanen und vorzuhalten.
Kollegiale Fachberatung wird hier verstanden als themenzentriertes Gespräch zwischen Fachkräften. Es handelt sich um eine „rückwärtige“ Hilfestruktur, die in „unsicheren“ oder problematischen Fällen zur Unterstützung herangezogen werden kann. Es kann sich dabei um ein Zweiergespräch zwischen Fachkräften handeln, um ein Gespräch im Fachkräftekreis, um ein Gespräch mit der Leitung oder – wenn vorhanden – mit einem Fachberater. Neben diesen fallspezifischen Beratungen können auch Strukturprobleme Gegenstand der Beratung sein. Hier ginge es dann um die Verbesserung von Verfahrensabläufen und Kooperationen untereinander oder mit anderen Sachgebieten und Institutionen.
c) Supervision
Die Supervision geht über die kollegiale Fachberatung hinaus und greift zumeist grundsätzliche Probleme auf, die sich an bestimmten Punkten im Arbeitsprozess zeigen.
Das Bayerische Landesjugendamt beschreibt Supervision als einen zielgerichteten, die berufliche Praxis begleitenden Reflexionsprozess, der in der Regel von externen Supervisorinnen und Supervisoren angeleitet wird. Während der Supervision wird das berufliche Handeln im Kontext des institutionellen Rahmens und vor dem Hintergrund der fachlichen Aufgabe reflektiert. Supervision beabsichtigt, Lösungen zu erarbeiten und fokussiert deren ergebnisorientierte Umsetzung in den professionellen Alltag.
Supervision dient damit der Verbesserung der Kommunikation und Kooperation, sie kann konzeptionelle Weiterentwicklungen begleiten, zur Überprüfung fachlicher Standards dienen, Transparenz und Orientierung schaffen und zu einer fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung der Fachkräfte beitragen.
Supervision kann in Gruppen oder als Einzelsupervision durchgeführt werden. Ersteres bietet sich an, wenn Kommunikationsprobleme innerhalb oder zwischen Gruppen bearbeitet werden müssen oder wenn fallbezogen aktuell aufgetretene Schwierigkeiten gelöst werden müssen. Hier ist auch eine gemeinschaftliche Supervision mit dem ASD hilfreich. Einzelsupervisionen dagegen fokussieren entweder ein konkret aufgetretenes Problem bei der Bearbeitung eines Falles oder sie beschäftigen sich mit fallübergreifenden Themenbereichen, die individuell als problematisch angesehen werden.
- Mögliche Themenbereiche der Supervision:
› Wirkung eigener Werte und Familienbilder auf den Umgang mit Pflege- und Herkunftsfamilien
› Reflexion der Gründe bei Abbruch eines Pflegeverhältnisses unter Berücksichtigung der eigenen Rolle
› Loyalitätskonflikte zwischen Pflegefamilie und Herkunftsfamilie
› Arbeit im Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungen (Pflegefamilie, Herkunftsfamilie, Pflegekinder/Jugendliche, Jugendamt, Finanzen usw.)
In der Regel werden die Themen innerhalb einer konkreten Frage bei der Arbeit an einem Fall aufgeworfen und bearbeitet.
Zu klären ist bei der Supervision, wie sie institutionell eingebunden ist und welche Rolle der Leitung dabei zukommt bzw. wie diese bei entsprechenden Problemlagen eingebunden werden soll.
3.3 Ausstattungsfragen
Da der Pflegekinderdienst im Rahmen der Gewinnung von neuen Pflegepersonen häufig von Interessenten in den eigenen Räumen aufgesucht wird, sollten diese entsprechend hell und freundlich ausgestattet sein. Es sollten Besuchsecken vorhanden sein, um eine Schreibtischatmosphäre zu vermeiden. Für Einzelgespräche sollten gesonderte Räume zur Verfügung stehen. Anzuraten ist auf jeden Fall auch eine Spielecke für Kinder.
Hinsichtlich der technischen Ausstattung müssen Telefonanlagen mit Anrufbeantwortern vorhanden sein, um eine grundsätzliche Erreichbarkeit zu garantieren. Dass jede Fachkraft über einen eigenen Computer verfügt, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Soweit im Jugendamt ein internes Netz existiert, müssen die Computer dort angeschlossen sein, damit bestimmte Daten gemeinschaftlich verwaltet und bearbeitet werden können. Entsprechend muss jede Fachkraft über eine eigene E-Mail-Adresse verfügen, um Anfragenden eine persönliche Zustellung zu ermöglichen und damit nicht der Eindruck entsteht, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im PKD jede Mail lesen können.
Für die Anschaffung von Fachliteratur sollten Mittel zur Verfügung stehen. Es ist auch anzuraten, eine kleine Bibliothek mit entsprechender Literatur für Pflegeeltern und Pflegeelternbewerberinnen und -bewerber mit Ausleihmöglichkeiten vorzuhalten.
Ausstattung im Überblick:
- Räume:
› hell, freundlich, modernes Mobiliar
› gesonderte, ansprechende Räume für Gespräche
› Spielecke mit Spielzeug für Kinder
- Technik:
› Telefonanlage mit Anrufbeantworter
› mobiles Diensttelefon
› Computer für jede Fachkraft (angeschlossen an das JA-Netz)
› Zugriff auf elektronische Fallakte – soweit vorhanden
› persönliche E-Mail-Adresse für jede Fachkraft
› allgemeine E-Mail-Adresse für unspezifische Anfragen
- Literatur:
› fortzuschreibender Bestand an eigener Fachliteratur
› kleine Bibliothek für Pflegeeltern und Bewerber (Bücher ausleihbar)