9. Fallübergreifende Aufgabenbereiche



Zu den fallübergreifenden Aufgaben eines Pflegekinderdienstes gehören die Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, die vorbereitende und begleitende Schulung, die Eignungsfeststellung und die Berichterstattung und Evaluation – alles zentrale Bereiche des Pflegekinderdienstes, die eine unverzichtbare Basis für die Arbeit mit den Pflegefamilien und Pflegekindern darstellen.

9.1 Werbung und Öffentlichkeitsarbeit[1]

a)  Vorbemerkung

Pflegekinderdienste sind Teil des kommunalen Jugendhilfeträgers und daher in der Regel mit der Restriktion versehen, keine wirkliche Autonomie in der Durchführung ihrer Arbeit zu besitzen. Vermutlich wird dies extrem deutlich bei der Durchführung und Konzeption von Maßnahmen zur Öffentlichkeits- und Pressearbeit. Wenn aber kommunale Pflegekinderdienste auch in der Zukunft in der Konkurrenz zu freien Trägern bestehen wollen, dann dürfen sie sich hinsichtlich ihrer Darstellung in der Öffentlichkeit neuen Formen nicht verschließen. Insofern sind die hier vorgebrachten Vorschläge maximal als Anregungen zu verstehen, repräsentieren sie doch einen weit fortgeschrittenen Standard, wie er eher in privaten Institutionen und in der Wirtschaft zu finden ist. Auch wenn zurzeit nur einiges zur Verwendung in der täglichen Arbeit in diesem Bereich in Betracht kommt, so muss doch langfristig über eine grundsätzlich umfassendere Öffentlichkeitsarbeit nachgedacht werden. Dabei spielt die Größe des PKD bei der Umsetzung eine entscheidende Rolle. Unbenommen davon kann der Text Anstöße geben, über einzelne Punkte in der eigenen Arbeit im Bereich der Werbung nachzudenken.

b) Notwendigkeit von Werbung und Öffentlichkeitsarbeit

Öffentlichkeitsarbeit und Werbung sind zum einen darauf ausgerichtet, neue Pflegeeltern zu gewinnen, und zum anderen, gesellschaftliche Vorbehalte gegenüber Pflegekindern und -eltern abzubauen. Das eine hängt mit dem anderen zusammen, denn mit der gesellschaftlichen Akzeptanz der Arbeit steigt auch die Bereitschaft von Eltern oder Einzelpersonen, ein Pflegekind aufzunehmen. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist eine breite Aufklärung über die schwierige Aufgabe der Betreuung von Pflegekindern, speziell, wenn es sich um ältere, behinderte oder auffällige Kinder handelt. Öffentlichkeitsarbeit muss die Vielfältigkeit möglicher Pflegeverhältnisse darstellen und ein realistisches Bild von der Pflegekinderarbeit zeichnen, das von karitativen und sozialromantischen Klischees befreit ist und zugleich den Hintergrund der abgebenden Eltern diskriminierungsfrei thematisiert.

Werbung und Öffentlichkeitsarbeit zielt aber nicht nur nach außen, sie zielt auch nach innen und erreicht damit auch eine Außenwirkung. Verstanden wird darunter das gesamte Erscheinungsbild eines Pflegekinderwesens, angefangen von einem Leitbild und einem einheitlichen „Auftritt“ im Schriftverkehr und in den Werbematerialien. Diese Corporate Identity macht die Einrichtung unverwechselbar.

Werbung sollte nicht reaktiv sein, sondern auch zur aktiven Positionierung des PKD in der Öffentlichkeit genutzt werden. Leitende Fragen dabei sind: Was zeichnet die Arbeit des PKD in besonderer Weise aus? Was unterscheidet die Arbeit des PKD von anderen Sachgebieten der Jugendhilfe?

c)  Leitbild und Corporate Identity

Ein Leitbild definiert den Charakter einer Institution. Es ist gleichsam der Horizont, auf den die Arbeit ausgerichtet ist und der in einem gemeinschaftlichen Prozess mit allen Fachkräften des PKD definiert werden muss. Das Leitbild vermittelt Identität, da es von allen Beteiligten geteilt werden sollte. Diese Identität bezieht sich auf die gemeinsamen Grundlagen fachlichen Handelns. Fragen, die zur Entwicklung eines Leitbildes herangezogen werden können, sind z. B.:

-     Was steht im Mittelpunkt unserer Arbeit?

-     Für wen sind wir da?

-     Was ist der Kern unserer Aufgabe?

-     Was ist uns wichtig?

-     Was ist unser Ziel?

Ausgehend vom Leitbild ist die Corporate Identity zu entwickeln – sie füllt das Leitbild mit Leben. Der PKD sollte als einheitlicher Fachdienst wahrgenommen werden, wobei auf den abgestimmten Einsatz von Verhalten, Kommunikation und Erscheinungsbild zu achten ist. Entsprechend sollten die drei genannten Bausteine aufeinander abgestimmt sein:

-     Corporate Behaviour bezeichnet die Verhaltensebene (Umgang miteinander und Umgang mit externen Personen)

-     Corporate Communication umfasst die gesamte interne und externe Kommunikation des PKD

-     Corporate Design kennzeichnet die visuelle Identität (Logo, Flyer, Visitenkarten, Ausstattung der Räume etc.)

Ein geschlossener Gesamtauftritt ist für das Image eines PKD wichtig, weil er ein äußerlicher Ausdruck der Wertschätzung der Aufgabe einerseits und der Wertschätzung der Pflegeeltern und Pflegekinder andererseits ist. Unter diesem Aspekt überzeugt ein gelungenes Design von Logos und Anzeigen nicht, wenn es sich nicht auch im Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und in der Gestaltung der Beratungsräume widerspiegelt. Wesentliche Elemente einer solchen Corporate Identity sind:

-    Visualisierung: Logo, Gestaltung des Briefpapiers, Türschild, einheitliche Farbgebung etc.

-     Räume: freundliche und helle Ausstattung der Büros, Einrichtung eines entsprechenden Begegnungsraumes (je nach Größe des PKD: Beratungsraum, Seminarraum)

-     Arbeitsatmosphäre: telefonische Erreichbarkeit, Orientierung auf die Belange der „Kun­den“ (Pflegeeltern, Pflegekinder, Herkunftseltern, Bewerberinnen und Bewerber, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Dienste und Träger etc.)

-     Vision: Werte und Zielbestimmung des Leitbildes

Die Corporate Identity sollte sich auch in den einzelnen Instrumenten der Öffentlichkeitsarbeit wiederfinden.

d) Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit

Die fünf wesentlichen Instrumente einer wirksamen Öffentlichkeitsarbeit und Werbung sind: Pressearbeit, Druckerzeugnisse, Veranstaltungen, Kooperationen und Internetauftritt. Auch wenn die Intensität der Öffentlichkeitsarbeit je nach Größe des PKD sehr unterschiedlich sein kann, so sollte auf ein Mindestmaß einer solchen Arbeit auf jeden Fall geachtet werden. Die weiteren Ausführungen sind daher als Anregungen gedacht, deren Umsetzungsgrad sicherlich sehr unterschiedlich sein kann.

Internet

Ein Internetauftritt sollte zum Standard eines jeden PKD gehören – er sollte zumindest eigene Seiten im Rahmen des Auftritts des jeweiligen Jugendamtes bekommen. Wichtig ist hierbei auch die Beachtung der entwickelten Vorgaben der Corporate Identity (Farbe, Logo, Schrift usw.). Der Auftritt sollte professionell gemacht sein und vor allen Dingen regelmäßig aktualisiert werden. Durch dieses Portal ist es für Interessierte möglich, viele Informationen zu bekommen und selbst zunächst anonym zu bleiben. Im Hinblick auf einen solchen Erstkontakt ist es von entscheidender Bedeutung, den Inhalten und der Form besonderes Augenmerk zu schenken.

Die Homepage kann aber auch als Forum für die Pflegeeltern und weitere Interessierte genutzt werden, zum einen durch Dokumente, die heruntergeladen werden können, zum anderen durch die Einrichtung eines Forums, in dem ein direkter Austausch, auch von Pflegepersonen untereinander, möglich ist (dies kann auch über einen passwortgeschützten, gesonderten Zugang erfolgen).

Ein klassischer Aufbau könnte folgende Menüpunkte enthalten:

-     Leitbild

-     Wir über uns (was ist der PKD?)

-     Wie wird ein Kind ein Pflegekind?

-     Was bedeutet es, ein Kind zur Betreuung aufzunehmen?

›   Voraussetzungen

›   Betreuung durch den PKD

-    Betreuungsformen

›   Allgemeine Vollzeitpflege

›   Sozialpädagogische Vollzeitpflege

›   Sonderpädagogische Vollzeitpflege

›   ...

-    Aktuelles und Veranstaltungen

›   Downloads

-    Kontakt

›   Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Hinsichtlich der technischen Planung sollte darauf geachtet werden, dass eine kontinuierliche Erweiterung der Seite möglich ist (man weiß ja nie, was noch alles benötigt wird) und eine Eigenaktualisierung von Text und das Einstellen von Downloads ohne viel Aufwand geleistet werden kann. Damit die Seite auch über Suchmaschinen gefunden wird, muss sie dort angemeldet sein (z. B. Google, Yahoo!). Auch eine Verlinkung mit anderen Institutionen ist hilfreich (Städteportale, Elternnetzwerke usw.).

Die Internetadresse der Seite sollte auf allen gedruckten Erzeugnissen (Visitenkarten, Briefpapier, Flyer, Plakate usw.) vorhanden sein. Die Vergabe von E-Mail-Adressen für die einzelnen Fachkräfte des PKD ist dabei eine Selbstverständlichkeit.

Pressearbeit

Aktive Pressearbeit ist zur Etablierung eines positiven Bildes des PKD unumgänglich. Dazu gehört, dass nicht nur in akuten Notsituationen – bei großem Bewerbermangel –, sondern auch in „normalen“ Zeiten die Arbeit des PKD verdeutlicht wird. Kontakte zur Presse sollten daher gepflegt werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die Kontakte von einer Fachkraft übernommen werden, die über entsprechende kommunikative Fähigkeiten verfügt. Ein fester Ansprechpartner / eine -partnerin ist auf jeden Fall für alle Seiten von Vorteil – dies gilt gerade auch in Situationen, in denen auf negative Situationen reagiert werden muss. In jedem Fall muss man immer mit unerwarteten Fragen seitens der Presse rechnen und sollte darauf vorbereitet sein.

Anlässe für eine Information von Pressevertretern können Veranstaltungen oder die Änderung rechtlicher Vorgaben sein. Aber auch Zwischenmeldungen aus dem Alltagsgeschehen – wie z. B. die gelungene Verselbstständigung eines Pflegekindes – sind zur Imagepflege geeignet. In jedem Fall sind die Fragen:

-     Was genau wollen wir mitteilen?

-     An wen richtet sich die Meldung?

-     Welches ist das richtige Medium?

-     Gefährde ich mit der Meldung keinen Beteiligten?

Ein aktueller Presseverteiler (Adressenliste) sollte im PKD vorhanden sein, ebenso entsprechend Informationsmaterialien, die bei Bedarf herausgegeben werden können. Alle Berichte, die sich mit dem Thema „Pflegekinder“ befassen, sollten im PKD archiviert werden – dadurch wird auch eine Bewertung der Darstellung der eigenen Arbeit in der Öffentlichkeit möglich.

Die aktive Pressearbeit kann in unterschiedlicher Form erfolgen:

- Die Pressemitteilung

Ein sachlicher Text, der den Sachverhalt prägnant und so kurz wie möglich darstellt. Es ist, soweit der Text angenommen wird, hier mit redaktionellen Kürzungen durch die Medien zu rechnen.

- Die Presseeinladung

Einladung der Presse, um über bestimmte Anlässe zu berichten. Die Art der Berichterstattung wird in der Regel von den Journalisten selbst definiert. Dies kann in Form eines Interviews, einer Reportage, eines Features, eines Portraits oder einer Kurzmeldung geschehen.

- Die Pressekonferenz

     Information von Medienvertretern über Sachverhalte. Dies kann im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Jahresberichten geschehen oder auch als Reaktion auf Ereignisse im Bereich des Pflegekinderwesens.

- Das Hintergrundgespräch

Kann genutzt werden, um ausgesuchte Medienvertreter über komplexe und/oder brisante Themen zu informieren und mit einem Hinweis auf Verschwiegenheit mit einzubinden. Auf diese Weise können Themen auch gezielt lanciert werden.

Druckerzeugnisse

Darunter wird verstanden: Flyer, Informationsbroschüren, Handzettel und Plakate. Sie dienen zum einen der Darstellung des PKD – sollten daher nach den Vorgaben der Corporate Identity gestaltet sein – und verfolgen zum anderen Werbezwecke, nämlich der Anwerbung von Pflegeeltern bzw. Pflegepersonen. Sie sollten durch Informationen neugierig machen und müssen auf die jeweilige Zielgruppe ausgerichtet sein. Letzteres bedeutet, dass Text und Aufmachung entsprechend gestaltet werden müssen.

Die Aufgabe der Werbung im PKD besteht darin, neue Pflegeeltern zur Übernahme von Erziehungsverantwortung und zur Aufnahme eines Kindes/Jugendlichen zu motivieren und gleichzeitig die damit verbundenen Anforderungen realistisch darzustellen. Entsprechend sollten …

… Informationen über die gesellschaftliche Bedeutung der Familienpflege im Kontext der Jugendhilfe gegeben werden,

… Informationen über die erwartete erzieherische Leistung dargestellt werden und

… Informationen über die Tatsache, dass Pflegekinder immer auch leibliche Eltern haben, mit denen ggf. kooperiert werden muss, nicht vorenthalten werden.

Veranstaltungen

Bei Veranstaltungen kann das Profil des PKD persönlich vermittelt werden. Veranstaltungen können sich an die allgemeine Öffentlichkeit richten oder gezielt Gruppen ins Auge fassen. Entsprechend sind die Einladungen anzulegen: persönliches Anschreiben, allgemeiner Serienbrief oder Ankündigung über Medien (Plakate, Veranstaltungshinweise in der Presse oder im Funk usw.). In jedem Fall können sie auch Anlass zu aktiver Pressearbeit bieten.

Bei allgemeinen Informationsveranstaltungen sollte größtmögliche Transparenz hinsichtlich der Aufgabe als Pflegepersonen angestrebt werden. Eine romantische Verklärung bezüglich der Errettung eines Kindes aus schwierigen Verhältnissen muss dabei vermieden werden, da dies den realen Gegebenheiten der aktuellen Problemkonstellationen nicht entspricht. Eine umfassende Information ist daher die Voraussetzung für eine intensive Auseinandersetzung mit potenziellen Pflegepersonen.

Eine Vielzahl von Veranstaltungstypen unterschiedlicher Zielrichtung lässt sich benennen:

-     Allgemeine Informationsveranstaltung

-     Thematische Bildungs- und Fortbildungsveranstaltung

-     Empfang (evtl. mit politischen Entscheidungsträgern und Unterstützern)

-     Jubiläum, Geburtstag

-     Kinderfest/Pflegeelternfest/Sommerfest

-     Tag der offenen Tür

-     Dankeschön-Veranstaltung für Pflegeeltern

-     ….

Kooperation

Ein weiterer Aspekt der Öffentlichkeitsarbeit liegt in der Kooperation, sowohl im regionalen als auch im überregionalen Bereich. Letztgenannter bezieht sich vor allen Dingen auf den inhaltlichen Austausch mit anderen PKDs, wie er im Kapitel 2.2.3 beschrieben und in Niedersachsen institutionalisiert ist. Ein Austausch kann aber auch mit anderen Institutionen, die sich um die Belange von Pflegekindern kümmern, geschehen und sollte sich auch auf Fachveranstaltungen, Podiumsdiskussionen und Kontakte zu Wissenschaft und Forschung beziehen. Auf diese Weise wird das Thema „Pflegekinderwesen“ auch in der Fachöffentlichkeit präsent gehalten.

Kooperation sollte auch mit den umliegenden PKDs gesucht werden, um Aufgaben gemeinsam wahrnehmen zu können, die alleine nicht zu bewältigen sind (z. B. gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen und Informationsabende, vgl. Kap. 2.2.1).

Und schließlich sollte auch eine Kooperation mit den örtlichen Vertreterinnen und Vertretern der Pflegeeltern gesucht werden. Dies ist von besonderer Bedeutung, da sehr häufig potenzielle Pflegeelternbewerber sich zunächst bei bereits „etablierten“ Pflegeeltern über die Arbeit an sich und die Betreuung durch den PKD informieren (vgl. Kap. 2.2.2).

e) Finanzierung

Öffentlichkeitsarbeit und Werbung kosten Geld (Materialien, Druck usw.) und Zeit (Arbeitszeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern). Da aber die direkte Anwerbung neuer Pflegeeltern oder die indirekte Werbung durch Darstellung des Pflegekinderwesens in der Öffentlichkeit unumgänglich ist, müssen für diese Arbeiten eigenes Geld und zeitliche Ressourcen bereitgestellt werden. Es empfiehlt sich, ein eigenes Budget für die Materialien und die Durchführung von Veranstaltungen und Terminen einzurichten und mit Blick auf die Arbeitszeiten der Fachkräfte die benötigten zeitlichen Ressourcen bei der Berechnung der Mitarbeiterkapazitäten zu berücksichtigen (vgl. Kap. 4.4).

Bei regionalen und überregionalen Werbezusammenschlüssen können Kosten geteilt und somit reduziert werden (s. u.).

Für mögliche punktuelle finanzielle Entlastung bei Werbung und Öffentlichkeitsarbeit kann die Suche nach Sponsoren bzw. spezielle Werbung für Sponsoring sorgen. Geschäftsleute sind vielfach bereit, Veranstaltungen, die ein gutes Image besitzen, finanziell zu unterstützen, wenn das Firmenlogo (oder der Name) dabei in Erscheinung tritt. Es empfiehlt sich dabei, eine Datei mit (möglichen) Sponsoren anzulegen, bei denen für unterschiedliche Gelegenheiten um Unterstützung nachgefragt werden kann.

f)  Regionale und überregionale Zusammenschlüsse

Für einzelne Werbekampagnen oder auch für ganze Werbekonzepte im Bereich der Corporate identity können unter dem Kostenaspekt Zusammenschlüsse stattfinden. Dabei einigen sich mehrere Pflegekinderdienste auf gemeinsame Strategien und einen einheitlichen Auftritt.

Es sollte auch eine landesweite Internetplattform der kommunalen Pflegekinderdienste angestrebt werden, die überregional wichtige Informationen enthält und mit den einzelnen Pflegekinderdiensten der Jugendämter „verlinkt“ ist. Kleinere Pflegekinderdienste, die über keine eigene Präsenz verfügen, könnten hier ihre Angebote und Leistungen einstellen. Denkbar ist dabei auch ein offenes Forum zum fachlichen Austausch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflegekinderdienste untereinander.

9.2 Vorbereitung von Bewerberinnen und Bewerbern und prozessbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen für Pflegeeltern

9.2.1 Informationsmaterialien, Erstkontakt zum PKD und Informationsveranstaltungen

Gute Erstinformationen sind bedeutsam für die realistische Selbsteinschätzung von potenziellen Bewerbern und insofern auch zeitsparend für Pflegekinderdienste. Bewerber erhalten sie über Informationsmaterialien, im Erstkontakt mit dem Pflegekinderdienst und in öffentlichen Informationsveranstaltungen. Nachfolgend einige Anregungen zur Gestaltung.

a)  Informationsmaterialien

-    Jedes Jugendamt sollte über aussagekräftige Informationsmaterialien verfügen.

-    Mindestbestandteile sind:

›   Eine „Begrüßung“ der Bewerberinnen/Bewerber

›   Informationen über den Charakter eines Pflegeverhältnisses (die besondere rechtliche Ausgestaltung, Kooperation mit dem Jugendamt, Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie und persönliche Kontakte)

›   Informationen über das Prozedere einer Inpflegegabe (Informationsabend, Schulung, Eignungsprüfung, Hausbesuche, Vermittlungsverfahren), deren Dauer und die vom Jugendamt vor der Vermittlung verlangten Auskünfte (Gesundheitszeugnis, polizeiliches Führungszeugnis, Einkommensnachweis); ein Verweis auch darauf, dass in persönlichen Gesprächen auf die besondere Situation der Bewerber eingegangen werden wird

›   Informationen über Pflegeformen, Grobinformationen über Pflegesätze, möglichst
illustriert durch einige typische „Fallkonstellationen“ (Kinder, Herkunftsfamilien)

›   Hinweise auf Ansprechpartner (und deren Erreichbarkeit) sowie Termine von Informationsabenden)

›   Hinweis auf weiterführende Literatur (möglicherweise diese Literatur anschaffen und den Bewerberfamilien mitgeben, um weitergehende Diskussionen anzuregen, bzw. Literatur zur Selbstanschaffung empfehlen).

-     Es sollte vermieden werden, die Bewerberinnen/Bewerber mit rechtlichen Details zu „erschlagen“.

-     Informationsmaterialien sollten ansprechend, am besten durch einen Grafiker, gestaltet werden (zur Kostenersparnis können sich verschiedene Jugendämter zusammenschließen).

b) Der Erstkontakt zum PKD

  • Der Erstkontakt zu einem Pflegekinderdienst erfolgt entweder telefonisch oder per persönlicher Vorsprache; evtl. haben sich die Informationssuchenden nach einer langen Dauer des Vorüberlegens und Abwägens erst zu diesem Schritt entschieden; viele sind noch unentschieden, zumindest unsicher, was sie erwartet.,

  • Es ist wichtig, dass die Informationssuchenden freundlich empfangen werden, es handelt sich um potenzielle Kooperationspartner/-innen des Jugendamtes.

  • Im ersten Informationsgespräch sollte auf konkrete Fragen eingegangen und auf Infor­mationsmaterialien verwiesen werden – diese können den Interessentinnen und Interessenten zugesandt werden. Soweit angeboten, sollte auch der Hinweis auf den nächsten Informationsabend nicht fehlen.

c)  Informationsveranstaltungen

Informationsabende empfehlen sich überall da, wo mit einer Mehrzahl von Bewerberinnen/Bewerbern in einem überschaubaren Zeitraum (am besten keine längere Wartezeit als vier Wochen) gerechnet werden kann. Wenn die örtlichen Verkehrsverhältnisse dies zumutbar machen, könnten sich auch benachbarte Jugendämter für Informationsabende zusammenschließen (Alternative zum Informationsabend ist das Angebot eines persönlichen Informationsgespräches, in dem auf Detailfragen der Bewerberinnen/Bewerber eingegangen wird).

  • Auch wenn Termine für Informationsabende bereits mit den schriftlichen Unterlagen angekündigt wurden, empfiehlt es sich, die Anfragenden noch einmal schriftlich auf den Termin hinzuweisen (Formblatt). Die Einladung sollte den Hinweis enthalten, dass (Ehe-)Paare den Termin möglichst gemeinsam wahrnehmen sollten.

  • Ein Informationsabend muss zu einer Abendstunde stattfinden und auf örtliche Verkehrsverhältnisse abgestimmt sein; seine Dauer sollte 90 Minuten nicht überschreiten; zu leiten ist er in der Regel von einem/einer oder zwei Mitarbeiter/-innen des PKD. Im Anschluss an den „offiziellen“ Teil sollte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Gelegenheit zu Nachfragen unter vier Augen gegeben werden (alternativ: Angebot eines Termins).

  • Der Inhalt des ersten Informationsabends bezieht sich auf die Inhalte der vorweg versandten Materialien, erläutert diese aber ausführlicher. Auch hierbei empfiehlt es sich, Fallbeispiele einzuflechten. Wichtig ist, den Bewerberinnen und Bewerbern ein erstes Gefühl dafür zu vermitteln, was es bedeutet, Pflegeeltern zu werden (wobei weder zu schwarz noch zu rosig „gemalt“ werden sollte). Zum Abschluss des Abends wird den Bewerberinnen und Bewerbern deutlich und exakt mitgeteilt, wie es weitergeht. Wenn sich Pflegeelternseminare anschließen, ist deren Ablauf und Zweck zu skizzieren und das Anmeldeverfahren darzulegen (falls Kosten erhoben werden, ist dies deutlich zu machen).

  • Ggf. kann ein zweiter Informationsabend angeboten werden, in dem erfahrene Pflegeeltern von ihren Erfahrungen berichten.

9.2.2 Vorbereitungsseminare

Angesichts der Komplexität von Erwartungen, die an Pflegeeltern gestellt werden, ist das Angebot eines vorbereitenden Pflegeelternseminars (ein Begriff, der für eine auf Erwachsene bezogene Veranstaltung günstiger ist als „Pflegeelternschule“) unabdingbares Element eines modernen Pflegekinderwesens. Die für die Durchführung entstehenden Kosten sollen deshalb von den Jugendämtern übernommen werden.

Das nachfolgend vorgeschlagene Programm von 36 bis 54 Stunden (je nach Pflegeform) versteht sich als ein Programm zur „Einstimmung“ von Bewerberinnen/Bewerbern auf ihre Aufgabe. Zumal es zu einem Zeitpunkt stattfindet, an dem die Teilnehmerinnen/Teilneh­mer mangels praktischer Erfahrungen erst begrenzt für die Inhalte aufnahme- bzw. „verar­beitungs“-fähig sind, sollte es als Einstieg in einen permanenten Prozess der Selbstreflexion und der Fortbildung betrachtet werden. Es sollte also eine Fortsetzung von Angeboten an bestehende Pflegeverhältnisse stattfinden, in denen – z. B. in Form von fallorientierter Gruppenarbeit/-supervision – auf die Besonderheiten des vermittelten Kindes eingegangen wird.

a)  Allgemeines

  • Zwecke von Pflegeelternseminaren sind:

›   Bewerberinnen/Bewerber mit den rechtlichen, institutionellen, pädagogischen und psychologischen Grundtatsachen eines Pflegeverhältnisses vertraut zu machen

›   die Entscheidung über eine spezifische Pflegeform vorzubereiten

›   die Bewerberinnen/Bewerber (auch in Gruppensituationen und der Paarsituation) kennen zu lernen

›   den Bewerberinnen/Bewerbern zu verdeutlichen, dass sie mit der Betreuung eines Pflegekindes eine besondere Aufgabe im öffentlichen Interesse und damit auch Verantwortung und gewisse Verpflichtungen übernehmen.

  • Angemessene Methoden sind kurze Informationseinheiten, Berichte von erfahrenen Pflegeeltern, viel Raum für Diskussion und Nachfragen, ggf. Rollenspiele (in denen typische Situationen gespielt werden, z. B. ein Erstkontakt zur Herkunftsfamilie). Einige Pflegekinderdienste verbinden das Seminar mit einem Wochenendseminar, in dem es auch zur Anwendung von selbsterfahrungsbezogenen Methoden kommt und in dem viel Raum für Informelles bleibt.

  • Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sollten Literaturtipps gegeben werden (am besten über mitgebrachte Bücher und/oder eine nach Sachthemen geordnete Literaturliste).

  • Vor der Durchführung der Seminare muss eine Entscheidung über den Charakter der Veranstaltung getroffen werden: dient sie der „Selbstfindung“ der Pflegeeltern oder ist sie auch Teil der Eignungsprüfung? In jedem Fall muss die Intention den teilnehmenden Familien deutlich und transparent gemacht werden. Die Rolle des PKD in den Seminaren ist entsprechend unterschiedlich. Grundsätzlich sind beide Optionen gegeben. Sollte eine Auslagerung der Seminare favorisiert werden, so sollten diese in die Hände von erfahrenen Erwachsenenbildnern gelegt werden (z. B. in Zusammenarbeit mit einer Volkshochschule). Fachkräfte des Jugendamtes und des PKD sollten keine leitende Funktion haben, aber für Informationseinheiten zur Verfügung stehen. Für psychologische Fachfragen sollten Fachleute (z. B. Psychologe der örtlichen Erziehungsberatungsstelle) herangezogen werden. Ein örtlicher Pflegekinderdienst kann eine der Veranstaltungen gestalten, sollte aber nicht Träger des Seminars sein. Gleichwohl sollte der Pflegekinderdienst aber in jedem Fall die Qualität der Veranstaltungen kontrollieren und die Konzeption mit gestalten können.[2]

  • Pflegeelternseminare richten sich grundsätzlich (sofern nicht Alleinerziehende) an beide Partner. Diese Erwartung sollte Bewerberinnen und Bewerbern unmissverständlich übermittelt werden.

b) Ablauf und Inhalte

Vorgeschlagen wird ein mehrstufig angelegtes Seminar von insgesamt 36 - 54 Seminarstunden à 45 Minuten:

›   Phase 1 (im Anschluss an Informationsabende): Grundkurs (21 Seminarstunden, in der Regel zu Blöcken zusammengefasst). Themen sind z. B.: ein Tages- oder Wochenendseminar zur Reflexion von Motivation, das eigene Familiensystem, die eigenen Erwartungen sowie Grenzen und Möglichkeiten, Einheiten zu gesetzlichen Rah­menbedingungen, zum Verhältnis von öffentlichem Auftrag und privater Lebenswelt, zur Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie, ggf. ergänzt um einen Erfahrungsaustausch mit bewährten Pflegeeltern.

›   Phase 2: Ein Einzelgespräch zwischen Teilnehmerinnen/Teilnehmern und PKD zur Abklärung der weiteren Perspektive, Entscheidung für eine Pflegeform (ggf. Abbruch), Termine gemäß individueller Absprache.

›   Phase 3: Aufbaukurs (neun Seminarstunden). Inhalte: psychologische Grundlagen (Bindung, Trennung, Verlust, Integrationsphasen), Hilfeplanverfahren und die Rolle von Pflegeeltern darin.

›   In Phase 4 gibt es ein modularisiertes Programm zu den Bereichen „Entwicklungspsychologie und Pädagogik“, „Entwicklungs- und Persönlichkeitsstörungen“, „Arbeit mit der Herkunftsfamilie“, „Biografiearbeit“ und „Darstellung besonderer rechtlicher Probleme“. Die Bewerberinnen/Bewerber können in einem nach Pflegeform differenzierten Umfang (Allgemeine Vollzeitpflege sechs Stunden, Sozialpädagogische Vollzeitpflege 15 Stunden, Sonderpädagogische Vollzeitpflege 24 Stunden) Veranstaltungen im Rahmen eines Wahlpflichtprogramms und eines Wahlprogramms wählen. Für die Verwandtenpflege (auch Verwandte absolvieren Phase 1 und 3) wird eine spezielle Drei-Stunden-Veranstaltung vorgesehen.

Thematisch sind die Veranstaltungen aus den vier Bereichen nicht festgelegt, sodass das Programm also flexibel, ggf. an besonderen Interessen von Teilnehmenden orientiert, gestaltet werden kann. Wahlpflicht- und Wahlmodule können zudem auch bereits „praktizierenden“ Pflegeeltern zu Fortbildungszwecken angeboten werden.

Es ist darüber hinaus anzuraten, dass im Falle des Wechsels eines Pflegeverhältnisses in eine Pflegeform, die besondere Erziehungsleistungen verlangt (z. B. von Allgemeiner Vollzeitpflege zu Sozialpädagogischer Vollzeitpflege), die Pflegepersonen durch entsprechende Schulungen bzw. Fortbildungen unterstützt werden.

c)  Alternativen und besondere Fragen

  • Kleinere Jugendämter werden – wegen kleiner Teilnehmerzahlen und/oder örtlicher Verkehrsverhältnisse – möglicherweise nicht dazu in der Lage sein, ein so komplexes Seminarsystem anzubieten. Alternativen sind deshalb zum einen eine „Verblockung“ des Programms (z. B. Wochenendseminare, bei Bedarf mit Kinderbetreuungsangebot), zum anderen seine thematische Straffung (weniger Wahlmöglichkeiten). Beibehalten im Aufbau werden sollten allerdings die Phasen 1 bis 4 und ein Gesamtumfang von durchschnittlich mindestens 40 Seminarstunden.

  • Auch für die Gestaltung des Pflegeelternseminars sollte der Zusammenschluss benachbarter Jugendämter in Erwägung gezogen werden, wobei auch ein Fremdträger beauftragt werden kann.

  • Pflegeelternseminare sind primär für Neubewerberinnen/-bewerber gedacht. Bereits praktizierende Pflegeeltern sollten zur Teilnahme nicht verpflichtet werden, die Teilnahme an einzelnen Blöcken und Veranstaltungen sollte ihnen regelmäßig (durch Übersendung des Jahres- oder Semesterprogramms und über persönliche Ansprache) angeboten werden.

  • Das vorbereitende Pflegeelternseminar sollte auch „beruflich vorgebildeten“ Bewerberinnen/Bewerbern zur Verpflichtung gemacht werden, da eine berufliche Vorbildung selten etwas mit den besonderen Problemlagen eines Pflegeverhältnisses zu tun hat. Im Einzelfall könnte allerdings die Teilnahme an Veranstaltungen der Phase 4 erlassen werden.

  • Insbesondere wenn sich die Absolvierung des Gesamtprogramms über einen längeren Zeitraum erstreckt, kann bereits nach Phase 2 mit der individuellen Eignungsfeststellung begonnen werden. Die Vermittlung eines Kindes sollte frühestens nach Absolvierung der Phase 3 des Gesamtprogramms erfolgen.

9.2.3 Die individuelle Eignungsfeststellung

a)  Vorbemerkungen

Gute Eignungsfeststellungen sind ein wesentliches Qualitätsmerkmal eines Pflegekinderdienstes. Ihr Zweck ist nicht nur, Fehlentscheidungen und letztlich Pflegestellenabbrüche (die für Kinder und Pflegeeltern eine hohe Belastung und für Jugendämter immer auch kraft- und geldzehrend sind) zu vermeiden, sondern auch, Bewerberinnen/Bewerbern Enttäuschungen zu ersparen. Eignungsfeststellungen sollen dabei nicht die Frage einer „grundsätzlichen“ Eignung beantworten, sondern auch Erkenntnisse über die Geeignetheit von Bewerberinnen/Bewerbern für Kinder mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Vorerfahrungen erbringen. Sie sind damit auch Grundbedingung für das sich anschließende „Matching“-Verfahren, in dem es darum geht, die „richtige Familie“ für ein bestimmtes Kind zu finden.

Darüber hinaus dienen sie dazu, ein Vertrauensverhältnis zu den künftigen Pflegeeltern aufzubauen (was eine faire, nicht diskriminierende, den Bewerbern gegenüber gut begründete Durchführung voraussetzt). Schließlich können auch nur gute und gut dokumentierte Eignungsfeststellungen nachvollziehbare Materialien für die Ablehnung ungeeigneter Bewerber liefern.

Eine gewisse Vereinheitlichung der Eignungsfeststellung erleichtert zudem den Umgang mit dem Problembereich „Mehrfachbewerbungen“ von Pflegepersonen in verschiedenen Jugendamtsbereichen. Vereinheitlichte Standards geben hier eine gewisse Sicherheit über begründete Anerkennungen oder ggf. auch Ablehnungen (was freilich nicht ausschließt, sich auch selbst noch einmal ein Bild zu machen).

Auswahlverfahren können alleine allerdings noch keinen Erfolg garantieren. Denn bei der Pflegeelternauswahl lernt man nur einen Teil der zukünftigen Systempartner, eben nur die Pflegefamilie, kennen. Weder sind in der Regel das einmal in die Familie kommende Pflegekind und seine Bezugspersonen schon bekannt, noch lassen sich von dritten Personen ausgehende Einflussgrößen übersehen. Auch die spätere Betreuung der Familie, einschließlich Personenmerkmale und Berufsverständnis der Fachkräfte, können zu wesentlichen Determinanten werden.

Eine qualifizierte Eignungsfeststellung setzt qualifiziertes Fachpersonal und Zeit voraus. Unabdingbar ist es, den notwendigen Zeitaufwand (der mit bis zu 20 Stunden zu kalkulieren ist) in den Personalberechnungs-Schlüssel so einzurechnen, dass er nicht auf Kosten anderer Aufgaben geht. Möglich ist auch, gesondertes Personal für Eignungsfeststellungen (und verwandte Aufgaben) im Interesse von Spezialisierung und Ansammlung von Erfahrungswissen bereitzustellen.

Gegen aufwändige Eignungsfeststellungen wird gelegentlich vorgebracht, dass der Mangel an Bewerberinnen/Bewerbern ohnehin häufig dazu zwingt, auch nicht-optimale Bewerberinnen/Bewerber zu akzeptieren. Von der pädagogischen und jugendhilfepolitischen Bedenklichkeit dieses Arguments abgesehen, lässt sich ihm gegenüber feststellen, dass es gerade auch dann notwendig ist, die Bewerber so gut kennen zu lernen, dass für sie kompensierende Unterstützungsleistungen planbar werden.

Die nachfolgenden Empfehlungen zur Gestaltung der individuellen Eignungsprüfung orientieren sich an den Arbeitshilfen des Bayerischen Landesjugendamtes. In ihnen wird ein theoretisch begründetes, strukturiertes Verfahren beschrieben, das in seinen thematischen Schwerpunkten auch mit breitem Konsens in einem fachlich ausgerichteten Pflegekinderwesen in anderen Regionen rechnen kann. Die theoretischen Erläuterungen zu Bedürfnissen von Kindern und Anforderungen an Adoptiv- und Pflegeeltern (unter den Kapitelüberschriften „Lebenssituation“, „Persönlichkeit“, „Partnerschaft“, „Motivation und Lebensplanung“, „erziehungsleitende Vorstellungen“, „Möglichkeiten und Grenzen erzieherischen Handelns“, „spezifische Anforderungen und Ausschlusskriterien“) bieten fundierte Interpretationshilfen. Die Gesprächsleitfäden unterstützen ein strukturiertes Vorgehen.[3]

b) Gesamtablauf

Vorgeschlagen wird:

Einholung von Unterlagen:

›   erweitertes Gesundheitsattest vom Gesundheitsamt: körperliche, psychische und Suchterkrankungen (zur Abklärung evtl. vorliegender psychischer Erkrankungen geben die Bewerberinnen und Bewerber dem Gesundheitsamt eine  Schweigepflichtsentbindung für den Hausarzt oder behandelnden Facharzt)

›   erweitertes Führungszeugnis aller im Haushalt lebenden Erwachsenen und ein

›   Einkommensnachweis (ggf. Schufa-Eigenauskunft)

›   soweit erforderlich in Abhängigkeit der gewünschten Pflegeart: ein Nachweis der beruflichen Qualifikation

Einsatz von Fragebögen (die gleichzeitig Informationen an die Bewerberinnen/Be­wer­ber enthalten und auf datenschutzrechtliche Thematiken eingehen), bestehend aus einem:

›   Basisbogen (persönliche Daten der Bewerbenden, Einkommensverhältnisse, Kinder und weitere Personen im Haushalt, Wohnverhältnisse, bestehende oder frühere Sucht- und psychiatrische Erkrankungen sowie psychotherapeutische Behandlungen), verbunden mit Fragebogen über Vorstellungen zur Aufnahme eines Pflegekindes (zum Alter, Geschlecht, Geschwister, Kinder ausländischer Herkunft, Kinder anderer Hautfarbe, Toleranzen für besondere Problemlagen wie Verhaltensauffälligkeiten, sonderschulbedürftige Kinder, geistig und körperbehinderte Kinder, kranke und traumatisierte Kinder, Toleranzen gegenüber verschiedenen familiären Hintergründen des Kindes, Vorstellungen über die Zusammenarbeit mit Herkunftsfamilien u. a.)

›   Fragebogen „Informationen und Fragen zur Aufnahme eines Pflegekindes“ (mit Kurzinformationen und Fragen u. a. zu Erfahrungen mit dem Thema „Pflegekind“, zu Gründen für den Entschluss, ein Kind aufzunehmen, zu Vorstellungen über die Dauer des geplanten Pflegeverhältnisses und – ausführlich – zu verschiedenen Aspekten der Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie)

›   Zusatzfragebögen für Bewerberinnen/Bewerber, die sich an der Aufnahme eines „besonderen“ Kindes interessiert zeigen (Aufnahme eines ausländischen Kindes, von älteren Kindern oder Geschwistern, von einem Kind mit erhöhtem erzieherischen Bedarf, eines Kindes mit körperlichen Beeinträchtigungen, eines in seiner geistigen Entwicklung eingeschränkten Kindes)

Bewerber-Einzelgespräche: Zum Standard von Eignungsüberprüfungen gehören mindestens ein Hausbesuch und zwei bis drei weitere Einzelgespräche. Soweit es zum Einsatz von Fragebögen kommt, sollten Nachfragen zu einzelnen Antworten den Einstieg bilden. Die Gespräche können in sieben Themenbereiche unterteilt werden:

Themenbereich „Motivation“: Motive für die Aufnahme eines Kindes; Entwicklung, Zeitpunkt und Entscheidung, sich um die Aufnahme eines Pflegekindes zu bewerben; individuelle Bedeutsamkeit von sozialem Engagement, Erfahrungen mit Engagement für andere; soweit relevant: Rolle von Religiosität?; Erwartungen an ein Pflegekind hinsichtlich anderer Kinder im Haushalt; Formen der Auseinandersetzung mit absoluter bzw. relativer Kinderlosigkeit. [Anmerkung: Die Sinnfälligkeit der Motivationsforschung ist umstritten, und zwar mit dem Argument, dass es keine gesicherten Erkenntnisse über die Relevanz einzelner Motive gibt und es keine „Techniken“ der Motiverhebung gibt, die über die „wirklichen“ Motive Auskunft geben könnten.]

Themenbereich „Soziale Beziehungen und Partnerschaft“: Biografie der Bewerber; Einstellung zu anderen Kulturen und Lebensweisen; Welt- und Menschenbild; Aufbau und Struktur des sozialen Umfelds der Bewerber, unterstützende und belastende Elemente; Anzahl und Intensität sozialer Kontakte, Reaktionen der Familie und des engeren sozialen/verwandtschaftlichen Umfelds auf die Absicht, ein Kind aufzunehmen; Geschichte der Partnerschaft; gemeinsame und unterschiedliche Interessen der Partner; Krisen in der Partnerschaft und deren Bewältigung; Rollenverteilung in der Partnerschaft und Zufriedenheit mit ihr; Vorstellungen über die Rollenverteilung nach Aufnahme eines Kindes und Veränderungen in der Partnerschaft nach Aufnahme eines Kindes; Entscheidungsfindungen in der Partnerschaft; Konflikt- und Krisenbewältigung im Alltag und anlässlich besonderer Herausforderungen

Themenbereich „Lebensplanung und Lebenszufriedenheit“: Zufriedenheit mit dem bisherigen Lebensverlauf, der beruflichen Entwicklung; weitere Lebensplanung; Vorstellungen über Tagesablauf, Partnerschaft und Freizeitgestaltung nach Aufnahme des Kindes; Toleranz gegenüber persönlichen Einschränkungen nach Aufnahme des Kindes

Themenbereich „Erziehung“: Erziehungsziele der Bewerber; Reflexion der eigenen Persönlichkeitsentwicklung; Vorstellungen über geeignete und nicht geeignete Erziehungsziele, über Erziehungsmaßnahmen und deren Effektivität; Beurteilung des Erziehungsstils und der Erziehungsmaßnahmen der eigenen Eltern; konkrete Erfahrungen im Umgang mit Kindern, Bewertung der eigenen Stärken und Schwächen im Umgang mit Kindern; Vorstellungen über die Beanspruchung professioneller Hilfen beim Auftreten von Erziehungsschwierigkeiten [dieser Komplex sollte durch Nachfra­gen zu Einzelsituationen („Stellen Sie sich vor, ein Kind...“) konkretisiert werden]

Themenbereich „Das Pflegekind“: Vorstellungen bezüglich Geschlecht, Alter, möglicher Einschränkungen oder Erkrankungen und gegenüber Herkunft des Kindes; nicht akzeptierbare Eigenschaften des Kindes; Informationsstand über spezifische Bedürfnisse von Kindern mit den Einschränkungen, die die Bewerber akzeptieren würden; Vorstellungen zur Alltagsgestaltung; Vorstellungen zur schulischen und beruflichen Entwicklung des Kindes; Vorstellungen über die Kontaktaufnahme zum Kind

Themenbereich „Gestaltung des Pflegeverhältnisses“: Zeitliche Vorstellung über die Aufnahmedauer; Akzeptanz der unbestimmten Dauer des Pflegeverhältnisses; Vorstellungen oder Kenntnisse über die Lebensumstände von Herkunftsfamilien, Nachvollziehbarkeit der Inpflegegabe; Kontakte zur Herkunftsfamilie, Kooperationsmöglichkeiten und Hinderungsgründe, konkrete Vorstellungen über Kooperationen; Voraussetzung für eine Rückkehr des Kindes in die Herkunftsfamilie; Erwartungen an die zuständige Fachkraft; Möglichkeiten der Unterstützung des Kindes bei Bewältigung seiner Situation; zusätzliche Fragen, soweit sich Bewerber/-innen für die Aufnahme eines „besonderen“ Kindes entschieden haben (z. B. Kenntnis über Behinderungen, Krankheiten)

Themenbereich „Wirtschaftliche Situation der Familie“: Wie wird der Unterhalt gesichert? Welchen Stellenwert nimmt das Pflegegeld ein? Existieren Schulden? Wie wird die eigene Familie in dieser Hinsicht gemanagt?

Hausbesuch(e): Dem oder mehreren Hausbesuch(en) kommt die Bedeutung zu, die ganze Familie (einschließlich der bereits in der Familie lebenden Kinder und weiterer in der Familie lebender Personen) in ihrer „natürlichen“ Umwelt zu erleben, sich einen Eindruck vom Kommunikations- und (auch nonverbalen) Interaktionsstil in der Familie, der familiären Atmosphäre, den Ordnungsvorstellungen der Familie und den materiellen Gegebenheiten zu machen. Besonderer Wert sollte darauf gelegt werden, die in der Familie lebenden Kinder und weitere Personen in der Familie in das Gespräch einzubeziehen und auch sie um Einschätzungen und Erwartungen an ein Pflegekind zu befragen. „Irritierende“ Eindrücke sollten mit den beteiligten Personen erörtert werden, um Fehleinschätzungen bzw. nur situative Gegebenheiten zu erkennen.

Eignungsbewertung

›   Allgemeines: Fragebögen und Eignungsgespräche inkl. Hausbesuch haben den Zweck, die Personen, ihre Erwartungen, Haltungen und Einstellungen kennen zu lernen, wozu auch Einschätzungen zu Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten der Familie gehören. Die Fachkraft sollte sich klar darüber sein, dass in ihre Interpretation auch immer eigene Wertvorstellungen eingehen, sodass es sich immer auch empfiehlt, das Ergebnis der Eignungsfeststellung mit Kolleginnen/Kollegen zu reflektieren.

Ergebnisse aus Fragebögen und Gesprächen sowie dem Hausbesuch sollten in einer systematisierten Ranking-Liste zu den verschiedenen Problembereichen zunächst zusammengefasst werden (ein Formular hierzu findet sich in der Arbeitshilfe des Bayerischen Landesjugendamtes, s. u.).

›   Ausschlusskriterien: Eine Reihe von Kriterien können als Ausschlusskriterien bezeichnet werden. Wenn entsprechende Verdachtsmomente für die Nicht-Eignung vorliegen, ist in der Regel von einer Anerkennung als Pflegeeltern abzusehen. Allerdings müssen die Verdachtsmomente einer kritischen Bewertung – möglichst zusammen mit Fachkräften des Fachdienstes – unterzogen werden, bevor eine für die Bewerber einschneidende Entscheidung getroffen wird.

Verdachtsmomente für die Nicht-Eignung liegen bei folgenden Hinweisen vor:

¬   schwierige wirtschaftliche Situation der Familie (z. B. die Bewerber sind auf das Pflegegeld auch zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts angewiesen – es sei denn, es handelt sich um eine professionelle Pflegefamilie, die die Sorge für Pflegekinder von vornherein als eine berufliche Tätigkeit versteht)

¬   Vorstrafen (vor allen Dingen solche, die Risiken für das Kindeswohl beinhalten)

¬   physische oder psychische Erkrankungen, welche die Erziehungsfähigkeit stark beeinträchtigen

¬   problematische Familienverhältnisse (starke Konflikte zwischen den Partnern und/ oder den Partnern und möglichen eigenen Kindern)

¬   problematische häusliche Bedingungen (kein geeigneter Wohnraum, ggf. auch problematisches Wohnumfeld)

¬   Drogenabhängigkeit und Sucht

¬   fehlende Kooperationsbereitschaft mit dem Jugendamt

¬   von einem anderen Jugendamt als Pflegefamilie abgelehnt

Bewertungskriterien: Bei der abschließenden Bewertung geht es um eine zusammenfassende Würdigung aller Informationen, wobei das erfasste Bewerberprofil mit den allgemeinen und spezifischen Bedürfnissen von Pflegekindern in Bezug zu setzen ist. Nicht alle Kriterien spielen die gleiche Rolle. Von besonderer Bedeutung sind als stabil und überdauernd zu wertende Persönlichkeitsdimensionen wie: Selbstbild und grundlegende Werthaltungen, Offenheit und emotionale Ausdrucksfähigkeit, Selbststeuerungskom­petenzen, Einfühlungsvermögen, Belastbarkeit, Problemlösungskompetenzen, Flexi­bilität und Toleranz. Zentrale Bedeutung kommt auch der Stabilität der Partnerschaft zu. Andere Faktoren sind weniger stabil und lassen sich deshalb beim Vorliegen einer stabilen Gesamtpersönlichkeit auch leichter verändern. Hierzu gehören z. B. „Defizite“ in pädagogischen Fragen, unrealistische Erwartungen an ein Pflegekind, gewisse – auf „Unaufgeklärtheit“ beruhende – Vorurteile.

Berichterstattung: Der ein Eignungsverfahren abschließende Bericht („Eignungsbericht“) fasst die Recherche-Ergebnisse zugespitzt auf die Feststellung einer grundsätzlichen Eignung und auf Feststellungen zur Eignung für bestimmte Gruppen von Kindern zusammen. Allgemeinen methodischen Anforderungen an schriftliche Behörden-Dokumente folgend, geht es in der Darstellung um eine klare, nachvollziehbare und überprüfbare Darstellung (ein Gliederungsvorschlag findet sich in der Broschüre des Bayerischen Landesjugendamtes, s. u.).

Die Ergebnisse der Eignungsfeststellung sollten mit den Bewerbern, auch im Falle der Feststellung einer Nicht-Eignung, besprochen werden.

c)  Unterbringung im sozialen Umfeld

Die in diesem Kapitel dargestellte Eignungsfeststellung bezieht sich neben „normalen“ Pflegeeltern ebenso auf Pflegeeltern, die im Rahmen des Social Network Care für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen gesucht werden. Die Kriterien können auch auf sie angewendet werden, jedoch ist die Milieunähe und/oder die vorhandene soziale Beziehung zum Kind/Jugendlichen bei der Bewertung in besonderer Weise einzubeziehen und zu gewichten.

9.2.4 Prozessbegleitende Qualifizierung von Pflegeeltern

Die begleitende Unterstützung von Pflegeeltern sollte vor allen Dingen über problembezogene, individuelle Qualifizierung geschehen. Es ist davon auszugehen, dass die Bedarfe im Laufe der Pflege und mit sehr unterschiedlichen Problemstellungen auftreten. Darauf ist dann entsprechend zu reagieren. Hierbei spielen die themenzentrierte Einzel- oder Gruppenarbeit und Einzel- oder Gruppensupervisionen die wichtigste Rolle. Diese Art der problemzentrierten Qualifizierung ist den allgemeinen Fortbildungsveranstaltungen in jedem Fall vorzuziehen.

a)  Problemzentrierte individuelle Qualifizierung

Das „Nicht-Alleinlassen“ der Pflegeeltern nach Aufnahme des Pflegekindes muss sich in erster Linie an deren Informations- und Reflexionswünschen ausrichten. Diese können je nach der aktuellen Problemlage und dem Alter des Kindes/Jugendlichen variieren. Hierauf gilt es die Qualifizierung abzustellen und eine entsprechende Unterstützung anzubieten. Es wird dabei immer um ein individuelles Problem in der Pflegefamilie mit dem Pflegekind gehen und um die sich daraus ableitenden konkreten Verhaltensweisen und Haltungen. Die begleitende, problemzentrierte Qualifizierung kann entsprechend der Problemintensität in zwei Bereiche differenziert werden: die themenzentrierte Gruppenarbeit und die Supervision (als Einzel- oder Gruppensupervision).

  • Die themenzentrierte Gruppenarbeit sollte grundsätzlich fall- und alltagsbezogen sein. Es geht hier um die gemeinsame Reflexion von Erfahrungen zu einem bestimmten Thema, die Erarbeitung von allgemeinen Strategien im Umgang mit dem jeweiligen Thema und die Einübung eines reflexiven Umgangs mit den jeweiligen Problembereichen. So kann z. B. Bettnässen hier ein Thema sein, allerdings eher nicht in Form einer theoretischen Abhandlung, sondern im Hinblick auf den konkreten Fall des Bettnässens. In der Auseinandersetzung geht es dann um die Reflexion eigener Haltungen zum Bettnässen, der emotionalen Betroffenheit, der Auswirkungen auf die familiäre Dynamik usw. – hierbei können dann auch „Theorien“ zum Bettnässen fallbezogen einfließen.

  • Die Supervision richtet sich auch in jedem Fall auf konkrete Situationen des Pflegealltags. Dabei stehen zwar die Verhaltensauffälligkeiten und Verhaltensweisen des Pflegekindes im Mittelpunkt, allerdings nicht im Sinne der Betrachtung und Bewertung eines Subjektes, sondern im Sinne des eigenen Umgehens mit diesen Auffälligkeiten. Während es in der themenzentrierten Gruppenarbeit um die Entwicklung allgemeiner Strategien geht, findet hier eine tiefer gehende thematisch-fallbezogene Auseinandersetzung statt. Ziel ist auch bei der Supervision die Stärkung der Reflexionsfähigkeit und die daraus resultierende Entwicklung eines flexiblen Umgangs mit dem konkreten Problem. Die Supervision soll insgesamt auch die Möglichkeit der Problembewältigung stärken helfen.

b) Fortbildungen

Auch wenn die konkrete Auseinandersetzung im Rahmen von begleitenden Reflexionsveranstaltungen im Vordergrund steht, so können klar thematisch ausgerichtete Fortbildungen dann eingesetzt werden, wenn es in der Vermittlung von Informationen im Zuge der Vorbereitung auf die Tätigkeit als Pflegeeltern Defizite gegeben hat oder wenn ein konkretes Problem in einer Familie zu einer angebotenen Fortbildung passt.

Etwas anders stellen sich die Fortbildungsaktivitäten im Bereich der Sozialpädagogischen und der Sonderpädagogischen Vollzeitpflege dar, da beide Pflegearten eine Verpflichtung der Pflegepersonen zur Qualifizierung beinhalten (vgl. Kap. 1.2). Aber auch hier ist eine Fortbildung dann aber am ertragreichsten, wenn sie aufgrund eines konkreten Problems begonnen wird.

Allerdings kann nicht immer erwartet werden, dass die Pflegekinderdienste entsprechende Fortbildungen selbst anbieten, gerade in kleinen Jugendämtern muss hier sicherlich auf Kooperationspartner zurückgegriffen werden. Neben dem Fortbildungszusammenschluss mehrerer Jugendämter können als Kooperationspartner auch Pflegeelternvereinigungen, Volkshochschulen, Jugendhilfeeinrichtungen, diagnostische Zentren oder Erziehungsberatungsstellen in Betracht kommen. In jedem Fall sind die Pflegeeltern bei der Teilnahme an Fortbildungen (und Supervision) – soweit sie der für die Betreuung und Pflege notwendigen Qualifizierung dienen – finanziell zu unterstützen (vgl. Kap. 4.1).

Da die Themen für die Fortbildungen sich häufig durch aktuell auftretende Probleme ergeben, können sie nicht immer im Voraus geplant werden. Hier gilt es, entsprechend flexibel nach adäquaten Qualifizierungsmöglichkeiten Ausschau zu halten. Die nachstehend aufgeführten Themenkomplexe für Fortbildungen stellen daher eher einen Rahmen dar, der je unterschiedlich ausgefüllt werden muss. Es können grob die vier Komplexe „Pflegekind“, „Herkunftseltern“, „Pflegeeltern“ und „Rechtsfragen“ unterschieden werden, die allerdings große Überlappungszonen aufweisen. Die Themenbereiche verstehen sich als Anregung. Möglicherweise kann hier eine Verzahnung mit den vorbereitenden Schulungen stattfinden (vgl. Kap. 9.2.2). Diese Schulungsthematiken können auch in Kooperation mit anderen Jugendämtern angeboten oder von entsprechenden Trägern „eingekauft“ werden. Gegebenenfalls können, je nach Organisation, Möglichkeiten und Aufgabenstellung, die Veranstaltungen mit der Notwendigkeit einer Kinderbetreuung einhergehen.

Themen im Bereich „Pflegekind“

›   Entwicklungsphasen, Entwicklungsstörungen

›   Bindungsverhalten/-theorie

›   Auswirkungen früherer Erlebnisse (Traumata, Deprivation, Gewalt)

›   Verhaltensauffälligkeiten

›   Geschwisterkinder

›   Formen und Auswirkungen von Behinderungen (körperlich, geistig, seelisch, chronische Krankheiten)

Themen im Bereich „Herkunftsfamilie“

›   persönliche Kontakte zwischen Pflegekind und Herkunftsfamilie

›   Umgang mit Rückkehroptionen

›   Herkunftsfamilien mit Migrationshintergrund

›   Konflikte und Konfliktbereiche mit Herkunftsfamilien

Themen im Bereich „Pflegeeltern“

›   Aufgaben und Erwartungen

›   Biografiearbeit

›   Erziehungsfragen, Beziehungsdynamik, Umgang mit Grenzen

›   Bewältigung belastender Lebenssituationen, Kriseninterventionsstrategien, Empower­ment

›   Pflegekind und leibliche Kinder

›   Umgang mit den Reaktionen der Umwelt (Nachbarn, Freunde, Schule, Kindergarten)

Themen im Bereich „Verwandtenpflege“

›   die Themen sind identisch mit den Themen im Bereich der „Pflegeeltern“, jedoch herrscht aufgrund der besonderen Stellung der Verwandten zu den leiblichen Eltern und den Kindern eine besondere Situation, die ein intensiveres Eingehen auf die oben aufgeführten Themen erfordert

Themen im Bereich „Patenschaften für Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen“

›   Informationen aus der Resilienzforschung

›   Basiswissen über psychische Erkrankungen

›   Umgang mit psychisch erkrankten Personen

›   das Erleben von Kindern in Familien mit psychisch erkrankten Eltern

Themen im Bereich „Recht“

›   alltägliche rechtliche Fragen (z. B. Sorgeberechtigung, Aufenthaltsbestimmung, Aufsichtspflicht, Krankenkasse, Versicherungen)

›   finanzielle Fragen (Kindergeld, Sonderleistungen usw.)

›   Übergabe an das örtlich zuständige Jugendamt (§ 86 Abs. 6 SGB VIII)

c)  Weitere Aktivitäten

Hierunter fallen Aktivitäten, die nicht den Charakter einer themenzentrierten Gruppenarbeit, einer Supervision oder einer Fortbildung aufweisen und eher dem Erfahrungsaustausch und dem näheren Kennenlernen – auch der Pflegeeltern und Pflegekinder untereinander – dienen. Auch wenn hier nicht die Vermittlung von Wissen im Vordergrund steht, so ist die Bedeutung dieser Aktivitäten nicht zu unterschätzen. Sie sorgen für einen Zusammenhalt und fördern auch die gegenseitige Hilfe untereinander. Auch diese Aktivitäten können in Kooperation mit anderen Partnern – wie z. B. einer Pflegeelternvereinigung – durchgeführt werden:

-     gemeinsame Wanderungen und Ausflüge

-     Dankeschön-Veranstaltungen für Pflegefamilien

-     Jahrestreffen und Feste

9.3 Berichterstattung und Evaluation

9.3.1 Unterrichtung der Öffentlichkeit: Öffentliches Berichtswesen

Zur Außendarstellung des PKD gehört ein Berichtswesen, das auch und gerade zum Nachweis der geleisteten Arbeit dient. Es kann sich sowohl um ein Berichtswesen handeln, das sich an die amtsinterne und jugendhilfepolitische Öffentlichkeit wendet (Rechenschafts- und Tätigkeitsberichte), als auch um Berichte, die eine breitere Öffentlichkeit, z. B. die Kooperationspartner eines Dienstes, ansprechen wollen (z. B. Jahresberichte), und schließlich auch um Berichte, die sich an eine undefinierte anonyme Öffentlichkeit wenden, wie z. B. Berichte zur Selbstdarstellung im Internet. Je nach Zweck werden die Inhalte ausgewählt und gewichtet.

Soweit ein Corporate Design existiert, sollten die Berichte sich äußerlich daran orientieren (vgl. Kap. 9.1). Inhaltlich gibt es viel Spielraum, der letztendlich lediglich durch die verfügbaren Ressourcen für diese Arbeit im PKD begrenzt ist. Gleichwohl sollten die Berichte ein bestimmtes Set von Angaben als Standard enthalten. Dieses Set sollte beinhalten:

Einen allgemeinen Überblick zur Organisation und zu ihrer Entwicklung im Berichtszeitraum:

›   neue Aufgaben und Angebote

›   Verlagerung von Schwerpunkten

›   veränderte räumliche und personelle Rahmenbedingungen

›   Planungen für die Zukunft

Der allgemeine Überblick sollte auch nicht auf einen Dank an Mitarbeiterinnen/Mitarbei­ter und andere wichtige Beteiligte verzichten.

Die Aktivitäten des PKD im Bereich der allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit:

›   Werbemaßnahmen (Prospekte, Broschüren, Homepage, Zeitungswerbung und Zeitungsartikel sollten dem Bericht im Anhang beigegeben werden)

›   öffentliche Veranstaltungen zum Pflegekinderbereich

›   Teilnahme von Fachkräften an Fachtagungen, ggf. eigene Beiträge der Fachkräfte hierzu

Die quantitativen Entwicklungen im Berichtszeitraum:

›   in Verbindung mit Zeitreihen und Vorjahreszahlen, jeweils getrennt für einzelne Pflegeformen, und ggf. qualitativ orientierten „Sparten-Berichten“

›   Anzahl der Anfragen (ggf. Näheres zu den Anfragen wie Altersgruppen) sowie „Befriedigung“ von Anfragen und Gründe für die die Nicht-Berücksichtigung von Anfragen

›   Anzahl der Kinder/Jugendlichen in der jeweiligen Pflegeart zum Jahresbeginn und zum Jahresende (ggf. in Monatsabschnitten)

›   Anzahl der Neuvermittlungen nach Alter und Geschlecht, ggf. auch weiterer Merkmale wie Sorgerecht, familiäre Problemlagen, Problemlagen der Kinder/Jugendli­chen

›   Anzahl der Beendigungen nach Alter, ggf. Dauer des Aufenthalts in der Pflegefamilie, Gründe für die Beendigung und nachfolgender Aufenthaltsort

›   Anzahl von Pflegeeltern/Pflegepersonen am Jahresbeginn und am Jahresende, ggf. Einzelheiten wie z. B. Altersgruppen, berufliche Vorerfahrungen)

›   Anzahl der Übernahmen aus anderen Jugendämtern

›   Anzahl der Abgaben an andere Jugendämter

Soweit möglich, sollte das Zahlenmaterial des Berichts grafisch aufbereitet werden.

Die qualitativen Entwicklungen im Berichtszeitraum:

›   Arbeitsberichte über einzelne Kinder und die Verläufe ihrer Betreuung in den Familien

›   Arbeitsberichte über Kooperationen mit anderen Diensten/Fachpersonen

›   Arbeitsberichte über die Entwicklung einzelner Bereiche des PKD

›   Arbeitsberichte über bestimmte Problembereiche (z. B. Arbeit mit Herkunftsfamilien)

Die besonderen Angebote für Pflegeeltern:

›   Informationsabende für Bewerber und Bewerberinnen

›   Schulungsangebote (ggf. mit Teilnehmerzahlen)

›   Gruppenangebote für Pflegeeltern/Supervisionsangebote

Die interne Evaluation: Soweit eine interne Evaluation vorgenommen wurde, sollten die für die angesprochene Öffentlichkeit relevanten Ergebnisse aufgenommen werden.

9.3.2 Evaluation

a)  Warum Evaluation?

Evaluation bedeutet immer die Bewertung eines beobachteten Objektes. Es kann sich dabei um die Einrichtung (Strukturevaluation), um ein Verfahren (Prozessevaluation) oder um die Wirkung einer Maßnahme (Ergebnisevaluation) handeln. Welche Form auch immer gewählt wird, am Ende erhält man Reflexionswissen, das aufgrund der systematischen Sammlung und Auswertung dezidierte Rückschlüsse auf das beobachtete Objekt zulässt. Dies kann Auswirkungen auf die Organisation und Ausstattung einer Einrichtung, auf die Art der Durchführung einer Maßnahme oder auf die Zuweisung von Fällen mit spezifischen Risiken zu bestimmten Hilfearten haben. In jedem Fall sind die Erkenntnisse zu interpretieren und die Folgen zu diskutieren. Evaluation sorgt daher für eine auf empirisches Material gestützte Reflexion der Arbeit. Diskussionen werden damit immer an die ermittelten Gegebenheiten einer vielschichtigen Betrachtung gebunden und bewegen sich nicht in einem „Bauchbereich“ einer eher zufälligen Erinnerung an Einzelfälle.

Diese Bewertungen können als Fremd- oder Selbstevaluation durchgeführt werden. Im ersten Fall übernehmen externe Evaluatoren die Bewertung, im zweiten Fall wird die Evaluation durch die Institution vorgenommen, die die Maßnahme selbst durchführt oder die Wirkung erarbeitet. Es ist unmittelbar einsichtig, dass eine Selbstevaluation mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist, da die Durchführung einer Hilfe und die Bewertung gewissermaßen in einer Hand liegen und es zu Interessenkollisionen kommen kann. Bei einer Fremdevaluation ist diese Gefahr ausgeschlossen bzw. stark vermindert.

Fremdevaluationen werden von Institutionen durchgeführt, die auf diese Arbeit spezialisiert sind und über die entsprechenden sozialforscherischen Kompetenzen verfügen. Dieses „Handwerkszeug“ ist für eine systematische Erhebung und Auswertung unerlässlich, erst sie sorgt für Erkenntnisse, die den Rahmen individuellen Erfahrungswissens nachhaltig zu sprengen in der Lage sind. Diese Kompetenzen sind in der Regel in den Institutionen, die die Hilfen planen und durchführen, nicht vorhanden. Selbstevaluationen sind daher notwendigerweise häufig auf bestimmte Möglichkeitskorridore beschränkt, deren Grenzen sich an den vorhandenen forscherischen Qualifikationen der Fachkräfte bemessen. Gleichwohl bedeutet das nicht, dass keine Selbstevaluationen durchgeführt werden sollten. Es bedeutet vielmehr, sich der Grenzen bewusst zu sein und die Evaluation so anzulegen, dass einerseits keine Überforderung der Fachkräfte eintritt und andererseits bestimmte unumgängliche Minimalstandards auf jeden Fall eingehalten werden. Um den Begriff „Evaluation“ nicht zu verwässern und den Gegebenheiten in den Pflegekinderdiensten und Jugendämtern gerecht zu werden, wird hier vorgeschlagen, nicht den Begriff „Evaluation“ zu verwenden, sondern eher von der Ermittlung von Hinweisen zu sprechen, die Aussagen über Prozesse der Hilfedurchführung oder der Wirkung der Hilfe ermöglichen. Auch wenn eine solche interne Qualitätsbeurteilung mit einer extern durchgeführten Evaluation nicht konkurrieren kann, so kann sie aber wertvolle Hinweise auf den Erfolg der Hilfen liefern. [4]

b) Vorgehensweisen

Interne Bewertung von Prozessen im PKD

Die am einfachsten durchzuführende Bewertung, die auch hinsichtlich des zeitlichen Rahmens überschaubar ist, ist eine intensive Betrachtung einzelner Verläufe bzw. Prozesse. Hierbei geht es nicht um eine Erfolgsmessung hinsichtlich des Gelingens der Hilfen, sondern um die exemplarische Betrachtung von Einzelfällen. Die Erkenntnisse auf dieser Ebene ermöglichen Bewertungen hinsichtlich der Durchführung der Hilfen. Dabei stehen Fragen nach der Zusammenarbeit mit dem ASD und anderen Fachdiensten, der Art der Begleitung und Betreuung der Pflegefamilie und des Pflegekindes und die weitere Hilfeplanung im Vordergrund. Ermittelt werden dabei Antworten auf „Warum-Fragen“. Diese Antworten lassen dann Vorschläge auf mögliche Verbesserungen und Modifikationen des Prozesses zu.

Bewertungen beginnen immer mit Fragen, die durch die Untersuchung beantwortet werden sollen und die das Feld der Betrachtung näher definieren.

Fragen:

›   Was genau ist das Ziel der Bewertung?

›   Wer führt die Bewertung durch?

›   Welche Teile des PKD und kooperierender Sachgebiete sind dabei einzubeziehen?

›   Wer ist zusätzlich zu beteiligen?

›   Welche Materialien werden benötigt?

›   Wie soll die Bewertung durchgeführt werden?

›   Wie und vor wem sollen die Ergebnisse präsentiert werden?

›   Wer ist von den Konsequenzen der Ergebnisse betroffen?

Durchführung:

›   Systematische Betrachtung von spezifischen Einzelfällen (positiv verlaufende und negativ verlaufende)

›   Ermittlung der Gründe ihres Verlaufes (Ansehen der Akten, Gespräche mit den Beteiligten)

›   Diskussion der Ergebnisse mit den Beteiligten

›   Überlegungen zur Optimierung des Ablaufs auf der Basis der Ergebnisse und Diskussionen

Interne Bewertung von Wirkungen im PKD

Im Prinzip sind vor einer Bewertung, die sich auf die Wirkungen konzentriert, die gleichen Fragen zu beantworten, wie sie auch für die Bewertung von Prozessen Relevanz haben (s. o.). Allerdings ist diese Art der Bewertung wesentlich schwieriger durchzuführen, denn der Frage nach den Wirkungen kann nur durch den Einbezug möglichst vieler Fälle nachgegangen werden. Hier bietet sich dann eine eher standardisierte Erhebung und Auswertung auf der Ebene von Fragebögen bzw. Formularen an. Die Bewertung sollte, da sie durch den PKD durchgeführt wird, handhabbar gestaltet werden. Es sind hier tragfähige Kompromisse zwischen notwendiger Komplexität und vorhandener fachlicher Qualifikation zu schaffen. Im Folgenden wird nun ein Verfahren vorgeschlagen, das einige wichtige Voraussetzungen zur Ermittlung von brauchbaren Hinweisen erfüllt und in Bezug auf Komplexität den dafür notwendigen Kompetenzen der Fachkräfte Rechnung trägt und in Bezug auf Handhabbarkeit mit überschaubarem Aufwand in den Arbeitsalltag des PKD zu integrieren ist.

Das Verfahren geht davon aus, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt alle neu auftretenden Fälle in den Bewertungsprozess gelangen. Sollte nur eine Auswahl von Fällen bewertet werden, so sind die Kriterien der Auswahl festzulegen (soweit es sich nicht um eine rein zufällige Auswahl handelt und z. B. jeder dritte Fall einer standardisierten Bewertung unterzogen wird).

Bei einer standardisierten Ermittlung von Informationen sollten folgende Punkte beachtet werden:

a)  Im Gegensatz zu aggregierten Statistiken in Berichten muss in der Beurteilung der Wirkung der Fokus auf den Verlauf der Einzelfälle gelegt werden.

b)  Es muss eine fallspezifische Eingangsmessung inklusive der Vorstellung über den Erfolg durchgeführt werden.

c)  Es muss eine fallspezifische Messung bei Beendigung der Hilfe inklusive der Beurteilung des prospektiv definierten Erfolges durchgeführt werden.

d)  Bei Abbrüchen sind die Abbruchgründe zu eruieren.

e)  Wenn nicht alle Fälle einer Bewertung unterzogen werden, müssen Begründungen für die Auswahl getroffen bzw. Auswahlprozesse eingeführt werden.

Die Punkte b), c) und d) verweisen auf mindestens zwei Messpunkte, an denen der Einzelfall bewertet werden muss: eine Eingangsmessung und eine Messung am Ende der Hilfe. Die Differenz der Werte der Eingangs- und Ausgangsmessung kann dann als Hinweis für den Effekt der Hilfe gewertet werden. Es hat zwischen zwei Zeitpunkten eine Intervention stattgefunden, deren Effekt nun untersucht wird.[5] Daneben wird allerdings eine ganze Reihe weiterer Informationen erhoben, die weitere Rückschlüsse auf die Qualität der Hilfe zulassen. Selbstverständlich können mehr Messungen während der Durchführung der Hilfe getätigt werden, dies erhöht allerdings den Arbeitsaufwand und die Komplexität der Auswertung.

Eingangsmessung

Diese Erhebung sollte möglichst früh stattfinden, damit ein realistischer Ausgangspunkt definiert werden kann. Es sollten folgende Items über die Fragebögen für jeden Fall erfasst werden:

-     Alter des Kindes/Jugendlichen

-     Geschlecht

-     Geschwisterunterbringung

-     Eingang des Kindes/Jugendlichen (kommt aus ...)

-     Pflegeart

-     Auflistung der Risikobereiche des Kindes/Jugendlichen (Mehrfachantworten)

-     Angabe des grundsätzlichen Ziels der Hilfe

-     Einschätzung der aktuellen Situation bezüglich des grundsätzlichen Zieles (Skala, z. B. 0 bis 10)

Ausgangsmessung

Diese Messung kann auch als gemeinsame Einschätzung in der Diskussion mit den Pflegeeltern und/oder dem Pflegekind / Jugendlichen / jungen Erwachsenen erfolgen. Hier sollten folgende Items für jeden Fall erfasst werden:

-     Einschätzung der aktuellen Situation bezüglich des grundsätzlichen Zieles (Skala, z. B. 0 bis 10)

-     Auflistung noch vorhandener Risikobereiche des Kindes/Jugendlichen (Mehrfachantworten)

-     Beendigungsgründe (Mehrfachantworten)

-     Ausgang des Kindes/Jugendlichen (geht zu ...)

-     Einschätzung der weiteren Perspektive (Skala, z. B. 0 bis 10)

Messung bei Abbruch

Hier sollten folgende Items für jeden Fall erfasst werden:

-     Einschätzung der aktuellen Situation bezüglich des grundsätzlichen Zieles (Skala, z. B. 0 bis 10)

-     Auflistung noch vorhandener Risiken des Kindes/Jugendlichen (Mehrfachantworten)

-     Abbruchgründe (Mehrfachantworten)

-     Ausgang des Kindes/Jugendlichen (geht zu ...)

-     Einschätzung der weiteren Perspektive (Skala, z. B. 0 bis 10)

Für einige Fragen werden Kategorien benötigt, die eine standardisierte Verortung des Falles ermöglichen. Auch wenn in jedem PKD neu darüber diskutiert werden muss, sollen hier doch Vorschläge dazu gemacht werden.

Standardisierte Kategorien in den Messungen

-     Auflistung der Risikobereiche des Kindes/Jugendlichen

-     Auflistung noch vorhandener Risikobereiche des Kindes/Jugendlichen (Mehrfachantworten) (vgl. Anlage 1, Kap. 5)

›   Gesundheit

›   Ernährung

›   Hygiene

›   Bezugspersonen

›   familiäre Beziehungen

›   Familienklima/Interaktion

›   körperliche Entwicklung

›   geistige Entwicklung

›   seelische Entwicklung

›   soziale Entwicklung

›   Kindergarten/Schule/Ausbildung und Beruf

›   Freizeit

 Angabe des grundsätzlichen Ziels der Hilfe

›   Verselbstständigung

›   Rückführung innerhalb eines festgelegten Zeitraumes

›   (hier ist je Fall ein spezifisches Ziel zu definieren, üblicherweise sollte dieses Ziel auch im Hilfeplan stehen)

w     Beendigungsgründe (Mehrfachantworten)

w     Abbruchgründe (Mehrfachantworten)

›   Verselbstständigung

›   Konflikte in der Pflegefamilie

›   Gerichtsentscheidung

›   Wunsch des Jugendlichen

›   Einflussnahme der Herkunftseltern

›   nicht zu bewältigende Kontakte zur Herkunftsfamilie

Eingang des Kindes/Jugendlichen (kommt aus ...)

›   Bereitschaftspflege

›   anderer Pflegefamilie

›   stationärer Unterbringung

›   Herkunftsfamilie

›   unbegleiteter minderjähriger Flüchtling

›   sonstigem

Ausgang des Kindes/Jugendlichen (geht in ...)

›   Bereitschaftspflege

›   andere Pflegefamilie

›   stationäre Unterbringung

›   Herkunftsfamilie

›   eigene Wohnung

›   betreutes Wohnen

›   sonstiges

Es empfiehlt sich, insgesamt in die Messungen freie Begründungen und Hinweise einzuführen, da einer Fehlinterpretation von vergebenen Werten zumindest vorgebeugt wird. Auch empfiehlt es sich, am Ende eine skalierte Endbewertung des Falles durch den PKD vorzunehmen. Diese muss allerdings begründet werden. Zwar ist die Auswertung von Textmaterial aufwändiger als die Zusammenstellung und Verrechnung von Werten – auch wenn es sich hier nur um kurze Textpassagen handeln wird –, gleichwohl helfen diese Texte bei der Beurteilung des Zahlenmaterials und Diskussion der möglichen Konsequenzen.

Datenaufbereitung

Es empfiehlt sich, die Daten von vornherein elektronisch zu speichern. Dazu bieten sich unterschiedliche handelsübliche Programme an (Excel, Access). Es ist in jedem Fall darauf zu achten, dass der Datenzusammenhang nicht aufgegeben wird. Für jeden Fall muss die Ermittlung der Differenz zwischen Anfangs- und Endmessung gegeben sein. Die praktikabelste Lösung besteht in einer Datenmatrix, bei der sich in den Zeilen die Fälle, in den Spalten die Fragen und in den sich daraus ergebenden Zellen die Ausprägungen der einzelnen Fragen für die Fälle befinden.

Grundvoraussetzung

Grundvoraussetzung jeder Beurteilung ist gewissenhaftes Dokumentieren und ein ehrlicher Umgang mit den Bewertungen. Ein „Schönbewerten“ von Fällen führt zwar zu einer hohen positiven Erfolgsbilanz, verhindert aber die Entdeckung von Fehlerquellen und lässt ein unrealistisches Bild entstehen.

Unterstützung

Auch wenn diese Form der Ermittlung von Hinweisen zur Wirkung der Hilfe den Versuch darstellt, ein intern handhabbares Design zu beschreiben, so ist gleichwohl anzunehmen, dass der PKD mit der Durchführung und der Auswertung und Interpretation der Daten allein überfordert sein wird. Eine solche Form der Bewertung benötigt Unterstützung durch das Jugendamt. Dies gilt vor allen Dingen hinsichtlich fachlicher, technischer, finanzieller und personeller Ressourcen. Es bietet sich dabei an, die Zusammenarbeit und Unterstützung der Personen zu suchen, die Verantwortung für die Jugendhilfeplanung tragen.

Umgang mit den Ergebnissen

Wie bei der Bewertung der Prozesse auch, so ist hier im Vorfeld der Betrachtung zu klären, wer mit welchem Ziel mit den Ergebnissen konfrontiert wird bzw. wer in den Prozess im Rahmen einer Begleitung einbezogen wird. Alle Ergebnisse bedürfen einer Interpretation, sie sprechen nicht automatisch „für sich selbst“. Es sollten daher nach der Ermittlung der Ergebnisse diese mit den beteiligten Fachkräften diskutiert werden. Es wird an dieser Stelle davor gewarnt, „harte“ Konsequenzen aus möglichen negativen Befunden zu ziehen – vielmehr sollten die Ergebnisse die Basis für einen Qualitätsdialog bilden, der eine Verbesserung der Durchführung der Hilfe zum Ziel hat.



[1]    Diese Ausführungen gehen auf Anregungen des Trägers PiB - Pflegekinder in Bremen gGmbH zurück.

[2]    Für kleinere Jugendämter, die eine Auslagerung der Seminare anstreben, kann dies über eine Kooperationsvereinbarung mit anderen Jugendämtern in diesem Bereich angestrebt werden (vgl. 2.2.1).

[3]    Bayerisches Landesjugendamt (2008): Adoptions- und Pflegekindervermittlung. Gesprächsleitfaden und Arbeitshilfe. München; Bayerisches Landesjugendamt (2008): „Eignungsüberprüfung von Bewerbern in der Adoptions- und Pflegekindervermittlung“. München (alle Materialien unter: www.blja.bayern.de).

[4]    Sollte eine Evaluation als externe Untersuchung durch ein entsprechendes Institut durchgeführt werden, so ist es unerlässlich, sich zuvor über die Art und den Zweck der Evaluation Gedanken zu machen. Hilfreich ist hierzu eine Broschüre des DeGEval (Gesellschaft für Evaluation): „Empfehlungen für Auftraggebende von Evaluationen. Eine Einstiegsbroschüre für den Bereich der Öffentlichen Verwaltung“. Für den Bereich der Selbstevaluation liegt eine Broschüre für „Empfehlungen zur Anwendung der Standards für Evaluation im Handlungsfeld der Selbstevaluation“ vor (siehe beides unter www.degeval.de).

[5]    Diese Form der Untersuchung ist zwar überaus simpel – sie verzichtet aus naheliegenden Gründen auf die Bildung einer Kontrollgruppe – sie ist aber dennoch in der Sozialforschung als Survey-Design anerkannt. Man spricht dann von einem quasiexperimentellen Design ohne Kontrollgruppe, bei der der Zustand vor mit dem Zustand nach einer Intervention verglichen wird.


Integrierte Berichterstattung Niedersachsen (IBN)