8. Gestaltung des Hilfeprozesses bei Beendigung des Pflegeverhältnisses


 


 

Pflegeverhältnisse können in vielfältiger Gestalt beendet werden, wobei eine grundsätzliche Trennung zwischen geplanten Beendigungen und ungeplanten Beendigungen besteht. Geplante Beendigungen sind Rückführungen in die Herkunftsfamilie, Adoptionen und Verselbstständigungen, ungeplante Beendigungen sind Abbrüche oder ein Wechsel der Hilfeart bzw. des Pflegeverhältnisses. In diesem Kapitel wird auf die unterschiedlichen Bedingungen und Unterstützungsleistungen bei den einzelnen Beendigungsarten eingegangen, wobei – den aktuellen Fachdiskussionen entsprechend – der Rückführung in die Herkunftsfamilie der breiteste Raum gegeben wird.

8.1 Gestaltung der Beendigung bei planbarem Ende des Pflegeverhältnisses

Planbar ist eine Beendigung in drei Konstellationen: wenn die Rückführung eines Kindes in die Herkunftsfamilie bereits Teil der Hilfeplanung ist (vgl. Kap. 8.1.1), wenn die Adoption des Pflegekindes durch die Pflegeeltern oder aus der Pflegefamilie heraus in eine Adoptivfamilie geplant ist (vgl. Kap. 8.1.2) und wenn die Verselbstständigung eines Pflegekindes Teil der Hilfeplanung ist (vgl. 8.1.3). Im Einzelfall kann die Beendigung auch dann geplant werden, wenn sie zwar nicht längerfristig vorbereitet werden konnte, es aber auch noch hinreichend Zeit für die Umsetzung einer sich spontan ergebenden Beendigungsoption bleibt. Unterschiedliche Beendigungsarten verlangen spezifische Unterstützungsleistungen durch den PKD und einen unterschiedlichen Einbezug des ASD bzw. freier Träger.

8.1.1 Rückführung eines Kindes in die Herkunftsfamilie

a)  Fachliche Aufgaben im Kontext von Rückführungen

Zu einer Rückführungsoption kann es in verschiedenen Situationen kommen: sie kann vorweg geplant worden sein, weil das Pflegeverhältnis von vornherein auf befristete Zeit angelegt war (vgl. „befristete Pflege mit Rückkehroption“, Kap. 1.1.3); die Überprüfung einer Rückführung innerhalb eines gewissen Zeitraums kann Teil der Hilfeplanung oder einer gerichtlichen Auflage sein; sie kann von den Personensorgeberechtigten per familienrichterlichem Beschluss „erzwungen“ werden, und sie kann sich schließlich aus der Dynamik eines Pflegeverhältnisses ergeben, z. B. weil das Pflegekind selbst aktiv auf die Rückkehr in die Herkunftsfamilie drängt oder weil bei Beendigung des Pflegeverhältnisses den Fachkräften die Rückführung als eine Option erscheint. Um Rückführungen i. e. S. handelt es sich lediglich bei den ersten beiden Fallkonstellationen, in den anderen beiden Konstellationen handelt es sich um eine „Rücknahme“ bzw. eine „Rückkehr“ oder „Rückgabe“.

Umfassend planbar sind Rückführungen nur für die ersten beiden Situationen, aber auch die zunächst ungeplanten Rückführungen bedürfen der Vorbereitung. Der Planungsprozess erstreckt sich auf vier Bereiche:

  •   Verfahrensweisen für die Planung einer Rückführung
  •   Verfügbarkeit einer geeigneten Pflegefamilie
  •   Elternunterstützung in der Zeit der Abwesenheit des Kindes
  •   Gestaltung der Rückführung

Verfahrensweisen für die Planung einer Rückführung[1]

Entscheidungen über eine Rückführung sollten möglichst schon zu einem Zeitpunkt getroffen werden, in dem das Kind noch in seiner Herkunftsfamilie lebt. Um sie verantwortlich treffen zu können, sind drei Schritte erforderlich: 1. Informationssammlung und Diagnostik, 2. Formulierung einer Prognose, 3. Verfügbarkeit einer geeigneten Pflegefamilie.

 

Informationssammlung und Diagnostik: Bei ihr geht es um die Sammlung aller relevanten Informationen, entweder als Basis für die eigene Planung oder zur Anfertigung eines Dokuments und/oder mündlichen Vortrags vor dem Familiengericht im Rahmen einer Sorgerechtsentscheidung. Entscheidendes Ziel der Informationssammlung ist es, genügend Wissen darüber zu erlangen, welches „Spiel“ in der Familie gespielt wird. Man sollte die Dynamik der Familie verstanden haben. Hierzu braucht man Kenntnisse über allgemeine biografische Daten aller Familienmitglieder, ebenso wie Daten über die soziale Situation der Familie, über frühere Hilfsmaßnahmen für die Familie und deren Bewertung durch die Familienmitglieder und Informationen zum sozialen Netz und dessen Tragfähigkeit. Es gilt zu verstehen, nach welchen Regeln diese spezielle Familie lebt und funktioniert, weil nur dann darüber nachgedacht werden kann, was die vorübergehende Herausnahme eines Kindes aus der Familie für Konsequenzen haben wird, ob es eine realistische Chance für die Unterstützung der Maßnahme und für die Einleitung von Veränderungsprozessen gibt.

 

Prognose: Am Ende dieses die ganze Fachlichkeit des Helfersystems herausfordernden Prozesses steht die Prognose über die Veränderbarkeit der familiären Bedingungen innerhalb des vorgesehenen zeitlichen Rahmens. Eine positive Prognose wird man stellen können,

  •   wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Kind „heillos“ in die Gesamtdynamik verstrickt ist (z. B. weil die Mutter das Kind dringend zur Selbststabilisierung braucht),
  •   wenn die mit der Herausnahme des Kindes hinterlassene Lücke von den „Zurückgelassenen“ ausgefüllt werden kann bzw. als Entlastung erlebt werden kann (z. B. als Chance für die Einleitung einer therapeutischen Maßnahme),
  •   wenn die Schwierigkeiten eines Kindes/Jugendlichen auf veränderbare Bedingungen zurückgeführt werden können (was nicht der Fall wäre, wenn es sich um massive frühkindliche Bindungsstörungen handeln würde oder wenn sich die Schwierigkeiten umfassend auch auf außerhäusliche Kontaktpersonen erstrecken),
  •   wenn es nicht um eine chronifizierte Abhängigkeit oder eine chronische (psychische) Erkrankung ohne realistische Heilungschancen geht.

Eine negative Prognose ist zu stellen,

  •   wenn unmittelbare Gefährdungen von den Bezugspersonen für das Kind ausgehen,
  •   wenn das „Familienspiel“ auf den Ausschluss des Kindes gerichtet ist oder das Kind als störend bei der Selbstverwirklichung der Bezugspersonen erscheint, was z. B. in Fällen anzunehmen ist, in denen die Mutter zwischen den Erwartungen des Partners und den Bedürfnissen des Kindes hin und her schwankt.

Verfügbarkeit einer geeigneten Pflegefamilie: Die Pflegefamilie muss die Rückführung des Kindes durch die Ermöglichung von persönlichen Kontakten („Besuchskontakten“) und eine akzeptierende Haltung den Eltern gegenüber aktiv unterstützen. Dies setzt in der Regel ein Selbstverständnis in der Pflegeelternrolle voraus, das nicht auf eine dauerhafte Integration des Kindes in die Familie gerichtet ist. Es werden Pflegefamilien benötigt, die die mit häufigen Besuchen der Kindeseltern verbundenen familiären und persönlichen Belastungen tragen wollen und sich gleichzeitig abgrenzen können, und Pflegepersonen, die sich empathisch in einen anderen Lebensstil hineinversetzen können.

 

b) Elternunterstützung in der Zeit der Abwesenheit des Kindes

Auch wenn die Voraussetzungen in der Herkunftsfamilie prognostisch positiv bestimmt werden können, ist eine gelingende Rückführung noch kein „Selbstläufer“. Ohne eine aktive „Elternunterstützung“ durch die Sozialen Dienste ist auch die geplante und gewollte Rückführung gefährdet. Zu überprüfen ist damit, ob die erforderlichen personellen und fachlichen Ressourcen für die Elternunterstützung während der Rückführungsphase – Therapie, Betreuung und Kontrolle – tatsächlich verfügbar sind (oder gemacht werden können), und zwar über Personen, die von der Familie akzeptiert werden.

Elternunterstützung vollzieht sich in fünf Dimensionen:

  •   als Unterstützung bei der Klärung der sozialen Bedingungen (Wohnung, Arbeit, Einkommen, ggf. Schuldenregulierung),
  •   als Klärungshilfe und Unterstützungsmanagement für persönliche und familiäre Angelegenheiten (Gesundheit, Therapie, Partnerbeziehungen, Haushaltsführung),
  •   als Hilfe zur Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit der „Abgabe“/“Heraus­nah­me“ des Kindes und deren Hintergründen,
  •   als Förderung der allgemeinen Erziehungskompetenz sowie des spezifischen Umgangs mit dem Kind und schließlich
  •   als Klärung und ggf. Erweiterung des formellen und informellen sozialen Netzes der Familie.

Diese anspruchsvollen Aufgaben überfordern in aller Regel die Kräfte der ASD- bzw. der PKD-Fachkräfte, sodass – insbesondere bei einer gezielten Rückführungsoption – die Beauftragung einer speziellen Fachkraft (SPFH, ggf. Familientherapeut/-in) erforderlich erscheint. Infrage kommen auch auf die Klientel abgestimmte Elternbildungsprogramme und Video-Arbeit für die Interaktionsanalyse. Zu bedenken ist allerdings, dass eine lediglich auf die Verbesserung der Erziehungskompetenz zielende Arbeit wegen der zumeist gegebenen umfassenden Problemlagen häufig zu kurz greift und deshalb auch breiter angelegte sozialarbeiterische Kompetenzen (z. B. Schuldnerberatung, Netzwerkeinbindung, Wohnungssuche) ergänzend einzusetzen sind.

 

c)  Die Gestaltung der Rückführung

Unabhängig davon, ob eine Rückführung vorweg geplant oder erst im Verlauf eines Pflegeverhältnisses zum Thema wird, sind Rückführungen sorgfältig zu planen. Hierbei geht es um die Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt die konkrete Rückführung befürwortet bzw. verantwortet werden kann (die Frage nach „Rückführungskriterien“), um die Frage, wie eine Rückführung prozesshaft vorbereitet werden kann und durchzuführen ist, und schließlich um die Frage, wie ihr Erfolg durch Unterstützung der Herkunftsfamilie abgesichert werden kann.

Entscheidungskriterien für Rückführungen

Minimalkriterien für die Rückführung sind:

  •   Es muss eine geregelte Versorgung des Kindes durch die Bezugspersonen gesichert sein, wozu mindestens ein fester Lebensort, Mittel für die Versorgung mit dem Lebensnotwendigen und ein gewisses Zeitdeputat für die Versorgung als Minimum gehören.
  •  Die Sicherheit des Kindes in der Familie muss gewährleistet sein, was auch die Sicherheit vor Übergriffen Dritter auf das Kind und geklärte Partnerbeziehungen voraussetzt.
  •   Dem Kind muss das Wohlwollen seiner Bezugspersonen sicher sein, sie müssen sich am Kind interessiert zeigen, was umgekehrt auch voraussetzt, dass sich das Kind an seinen Bezugspersonen interessiert zeigt. Hinweise dafür findet man in der Regel über die „Begutachtung“ des Verlaufs von persönlichen Kontakten („Besuchskontakten“).
  • Das Kind muss seinen Platz als Kind in der Familie finden, was konkret meint, es darf nicht in negative oder zerstörerische Konflikte der Erwachsenen hineingezogen werden (z. B. zur Lösung partnerschaftlicher Konflikte, als Versorger von Erwachsenen im Sinne von „Parentifizierung“ oder als Sündenbock für ungelöste Familienprobleme).

In vielen Fällen werden diese schlichten Grundvoraussetzungen nicht ohne Weiteres erfüllt werden können, was besonders dann gilt, wenn das rückgeführte Kind aufgrund seiner Verhaltensbesonderheiten eine „gutwillige“ und durchschnittlich in Erziehungsfragen kompetente Familie labilisiert. Zu prüfen ist deshalb auch, ob Fehlendes oder noch nicht „Ideales“ durch institutionelle Angebote der Jugendhilfe kompensiert werden kann, ob es Mittel für das Auffangen vorübergehender Verunsicherung und die Bereitschaft zur Annahme von Hilfen gibt. Wo auch nur eine der Voraussetzungen nicht gegeben ist, sollte von einer Rückführung abgesehen werden.

Grundsätzlich gilt auch, dass das Kind nicht zum Versuchsobjekt staatlicher Familienrehabilitation werden darf. Die Rückführung muss in jedem Fall mit Blick auf das Kind geschehen, nicht mit Blick auf Pflegeeltern oder Herkunftseltern. Ebenso dürfen bei der Entscheidung keine ideologischen Gründe eine Rolle spielen, aus denen heraus bestimmte Familienkonzepte präferiert werden.

Hinsichtlich des zeitlichen Horizontes einer Rückführung existieren vom Gesetzgeber keine konkreten Angaben. Jeder Einzelfall muss gesondert nach bindungstheoretischen und entwicklungspsychologischen Gesichtspunkten beurteilt werden. Es hat sich eine Frist von zwei Jahren herausgebildet, innerhalb derer eine Rückführung für möglich gehalten wird. Dies schlägt sich auch im § 86 Abs. 6 SGB VIII nieder, in dem dann von einer auf Dauer angelegten Pflege ausgegangen wird, die eine Übernahme durch örtlich zuständige Jugendämter rechtfertigt (vgl. Kap. 5.2.1). Für kleinere Kinder sollten kürzere Fristen gelten. Das Bayerische Landesjugendamt schlägt hier für Kinder unter drei Jahren eine Frist von maximal einem Jahr vor. Für noch kürzere Fristen bei Säuglingen spricht sich der Psychologe Rainer Ballof aus. Er sieht, dass bereits bei einem Aufenthalt von wenigen Monaten in einer Pflegefamilie aus bindungstheoretischer Sicht ein erneutes Abbrechen der Beziehung problematisch sein kann.

Vorbereitung und prozesshafte Umsetzung der Rückführung

Jede Rückführung ist für alle unmittelbar Betroffenen, zu denen auch die Pflegeeltern gehören, ein Stress erzeugendes „kritisches Lebensereignis“, sodass alles daran gesetzt werden sollte, den Stress so gering wie möglich zu halten. Eine längerfristig angelegte prozesshafte Umsetzung der Rückführung hilft dabei. Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Prämisse sind folgende Verfahrensweisen empfehlenswert und bewährt:

  •   Die Rückführung sollte von allen Beteiligten getragen werden.
  •   Alle Beteiligten sollten dafür gewonnen werden, die Rückführung nicht überstürzt vollziehen zu wollen; Rückführungen brauchen Zeit.
  •   Rückführungen sollten prozesshaft über sich allmählich ausweitende persönliche Kontakte, „Probewohnen“ in der Herkunftsfamilie etc. gestaltet werden und mit Erfahrungsauswertung (unter Einbezug des Kindes/Jugendlichen) verbunden sein.
  •  Wenn Klarheit darüber herrscht, dass die Rückführung tatsächlich umgesetzt werden soll, sollten die Beteiligten zu einer „Rückführungskonferenz“ eingeladen werden, in der das bis zur Rückführung und für die erste Zeit danach dringlichst noch zu Erledigende besprochen wird und klare Absprachen über Zuständigkeiten und Zeitabläufe getroffen werden.
  •   Von hoher Priorität für den Sozialen Dienst ist es, notwendige unterstützende Hilfen für das Kind und die Familie bereits vorweg zu organisieren und mit den Beteiligten die „Nutzungsregeln“ abzusprechen.
  • Die Pflegepersonen sollten von vornherein als wichtige Personen für das Gelingen der Rückführung angesprochen werden, wobei auch ihrer Trauer Rechnung zu tragen ist und ihnen Möglichkeiten für die Trauerarbeit eröffnet werden sollten.
  •  Das Ereignis der Rückführung sollte zelebriert werden, wozu sich z. B. eine offizielle Übergabezeremonie eignet (an der auch die bisher und künftig zuständigen Dienste beteiligt sind).
  • Schließlich: das Kind sollte von ihm vertrauten Personen nach Hause begleitet werden.

Unterstützung der Familie nach der Rückführung

Die Zeit nach der Rückführung ist eine besonders heikle Phase. Die Eltern erhalten oft kein „pflegeleichtes“ Kind zurück; ein während der Abwesenheit des Kindes neu justiertes familiäres Gleichgewicht muss wiederum neu ausgehandelt werden; möglicherweise begegnet das Kind oder der Jugendliche auch neuen, ihm noch wenig vertrauten Erwachsenen und neuen Geschwistern. Für die Kinder und Jugendlichen ist der Weg nach Hause nicht selten von Ängsten und Ambivalenzen begleitet, und insbesondere Jugendliche müssen ihre außerfamiliären Sozialkontakte neu sortieren und z. B. in einer neuen Schule Fuß fassen. Die Begleitung der Erwachsenen und Kinder ist deshalb kein „Luxus“, sondern dringende Notwendigkeit zur Absicherung einer Rückführung. Wichtig für die Anfangsphase ist vor allem:

  • Die zuständigen Fachkräfte sollten neuen Zuspitzungen vorbeugen bzw. sich auf Situationen, in denen es dazu kommen kann, vorbereiten. Hierfür soll den Erwachsenen, ggf. auch den Kindern, ein verlässlicher Ansprechpartner genannt werden, und die Eltern sollten auf die Anpassungsprobleme des Kindes vorbereitet werden.
  •  Möglichst bereits vor der Rückführung, spätestens aber gleich zu Anfang, sollten alle Weichen für die finanzielle Absicherung, für die Einschulung oder den Kindergartenplatz gestellt werden, ggf. auch das Arrangement für eine therapeutische (logopädische etc.) Unterstützung.
  •  Von den Kindern und Jugendlichen mag die Rückführung als freudiges Ereignis betrachtet werden, immer lassen sie aber auch etwas hinter sich. Man muss ihnen darum Gelegenheit geben, sich nach und nach vom Alten zu verabschieden, wozu häufig auch gehören wird, ihnen „Ausflüge“ zurück (in die zurückgelassene Pflegefamilie, zu den verlorenen Freunden etc.) zu ermöglichen und sie hierzu sogar zu ermuntern.

Um Nachhaltigkeit zu erzielen, empfiehlt sich die Einrichtung einer befristeten SPFH oder Erziehungsbeistandschaft.



[1]    Vgl. zu diesem Kapitel auch Blandow, J.: Rückführung von Pflegekindern in die Herkunftsfamilie. Fakten, Erfahrungen, Überlegungen. In: Pflegekinder, Heft 1-08, S. 27–42 (dort auch weiterführende Literatur).


8.1.2 Adoption des Kindes durch die Pflegeeltern oder aus einer Pflegefamilie heraus

Nach § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII ist zu prüfen, ob vor und während einer langfristig zu leistenden Hilfe außerhalb der eigenen Familie eine Annahme als Kind in Betracht kommt.

Erklären die Pflegeeltern notariell ihren Willen zur Adoption des Kindes und liegen die erforderlichen Einwilligungen der Herkunftseltern vor, werden die Pflegeeltern (die zukünftigen Adoptiveltern) vor den leiblichen Eltern unterhaltspflichtig. Die pädagogische Leistung, die im Rahmen der Vollzeitpflege durch den PKD erbracht wurde, kann – unter der Voraussetzung, dass der PKD als Adoptionsvermittlungsstelle anerkannt ist – bis zur end­gültigen Adoption als Adoptionspflege weiter gewährt werden. Dieser Adoptionspflegezeit geht eine Eignungsprüfung der Bewerber durch die Adoptionsvermittlungsstelle voraus (§ 7 AdVermiG). Die Adoption wird mit Beschluss des Vormundschaftsgerichtes abgeschlossen. Die Voraussetzungen zur Annahme eines Kindes werden in den §§ 1741 ff. BGB geregelt.

Neben der Adoption durch die Pflegeeltern kann es auch zu Adoptionen aus der Pflegefamilie in eine andere Adoptionsfamilie kommen. Der PKD bleibt dann für die Überleitung zuständig, wenn er als Adoptionsvermittlungsstelle anerkannt ist. Anderenfalls übernimmt die Adoptionsvermittlungsstelle die Adoptionspflege. Kooperationen zwischen PKD und Adoptionsvermittlungsstelle sind in diesen Fällen möglich bzw. anzustreben.

Eine individuelle Unterstützung des Kindes/Jugendlichen nach der Adoption sollte zum Ausgleich von finanziellen Härten möglich sein, liegt aber im Ermessen des jeweiligen Jugendamtes.


8.1.3 Verselbstständigung des Pflegekindes

Auch wenn mit dem Erreichen der Volljährigkeit die Hilfe nach § 33 SGB VIII eingestellt wird, so können die jungen Volljährigen, wenn weiterhin erzieherischer Bedarf besteht, nach § 41 SGB VIII bis zum 21. Lebensjahr – und in besonderen Ausnahmefällen auch darüber hinaus – Hilfe im Rahmen der Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII erhalten. Auch kann der Abschluss einer schulischen oder beruflichen Ausbildung weiterverfolgt werden. Gerade für unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche kann die Verlängerung der Hilfe eine Option sein, da ihr Eintrittsalter in die Pflegekinderhilfe sehr hoch ist, ihnen die nötigen Erfahrungen im Umgang mit der ihnen fremden Gesellschaft fehlen und sie dadurch besondere Entwicklungsaufgaben zu bewältigen haben.

In der Regel wird nach der Beendigung des Pflegeverhältnisses der ASD für den jungen Erwachsenen zuständig und übernimmt die Fallverantwortung. Abweichend davon kann auch der PKD den Jugendlichen fallverantwortlich weiter betreuen, wenn dies aufgrund des gewachsenen Beziehungsverhältnisses einer weiteren Entwicklung förderlich ist (vgl. auch Kap. 2.1.1).

Es wird grundsätzlich als positiv angesehen, dass in den entsprechenden Fällen eine Nachbetreuung bzw. Übergangsbetreuung stattfindet. Ob dies durch die Pflegeeltern geschieht – die dann entsprechend finanziell unterstützt werden müssten – oder durch ein gesondertes Angebot freier Träger, ist nach Lage des Falles zu entscheiden.

8.2 Gestaltung der Beendigung bei ungeplantem Ende des Pflegeverhältnisses

Eine ungeplante Beendigung von Pflegeverhältnissen kann sehr unterschiedliche Ursachen haben, die in jedem Fall eruiert werden müssen, um eine begründete Entscheidung über den zukünftigen Aufenthalt des Pflegekindes treffen zu können. Je nach anschließender Unterbringungsform bzw. dem weiteren Aufenthaltsort sind unterschiedliche Unterstützungsleistungen des PKD erforderlich.

Ungeplanten Beendigungen gehen immer spezifische Situationen voraus bzw. die Beendigungen geschehen unter bestimmten Bedingungen für das Kind und die Pflegefamilie. Diese können sein:

  •   pädagogische Überforderung der Pflegeeltern
  •   das Kind strebt aus der Familie heraus, verlangt vehement seine Rückkehr ins Elternhaus
  •  die Herkunftsfamilie belastet die Situation so sehr, dass Pflegeeltern dies nicht mehr auffangen können
  •   das Pflegeverhältnis ist schon länger zerrüttet
  •   das Kind entspricht nicht den Erwartungen der Pflegeeltern
  •   den Pflegeeltern wird vom Jugendamt die Kompetenz abgesprochen
  •   es gibt kindeswohlgefährdende Situationen in der Pflegefamilie
  •   Tod, Trennung, Krankheit in der Pflegefamilie

Diese Situationen und Bedingungen sind in der Regel mit spezifischen Ursachen verknüpft, die im Bereich des Pflegekindes, der Pflegefamilie, der Herkunftsfamilie und auch des PKD angesiedelt sein können.

 

a)  Bedingungen, die zu einem ungeplanten Ende des Pflegeverhältnisses beitragen können:[1]

  •   Aufseiten des Pflegekindes:

›  die Wahrscheinlichkeit eines ungeplanten Endes wächst mit dem Alter der Kinder

›  die Wahrscheinlichkeit eines ungeplanten Endes wächst mit der Anzahl von bereits erlebten Unterbringungen in Einrichtungen und Pflegefamilien

›  die Wahrscheinlichkeit eines ungeplanten Endes wächst mit der Anzahl der erlebten Beziehungsabbrüche und traumatischen Erlebnisse

  •   Aufseiten der Pflegefamilie:

›  keine ausreichende Eignung der Pflegepersonen

›  mangelnde Bereitschaft, Hilfen von außen in Anspruch zu nehmen

›  ungünstiger Abstand oder ungünstige Geschwisterreihenfolge zwischen leiblichen und Pflegekindern

›  Rigidität und hoher Anpassungsdruck an das eigene Normsystem der Pflegepersonen

›  starke Isolierungs- und Abschottungstendenz der Pflegefamilie und fehlendes Eingebundensein in ein soziales Gefüge

›  wachsende Beziehungsprobleme zwischen Pflegepersonen und Pflegekindern

›  gesundheitliche Probleme, Arbeitslosigkeit, veränderte ökonomische Bedingungen

›  Nichtübereinstimmung der Erwartungen der Pflegeeltern bezüglich der „Probleme“ des Pflegekindes

›  Partnerschaftsprobleme der Pflegepersonen

  •   Aufseiten der Herkunftsfamilie:

›  Keine konstruktive Haltung oder Mitarbeit

›  Boykottierung des Pflegeverhältnisses (fehlende „innere Erlaubnis“, dass das Kind in der Pflegefamilie leben darf)

›  Nichteinhaltung von Kontaktvereinbarungen und anderen Absprachen

  •   Aufseiten des PKD:

›  Übersehen von entscheidungsrelevanten Fakten bei der Vermittlung des Kindes

›  Vernachlässigung der Betreuungsarbeit mit der Pflegefamilie

›  kontinuierlich einseitiges Vertreten der Position der Pflegepersonen, des Pflegekindes oder der Herkunftseltern

›  fehlende Personalkapazitäten zur Betreuung des Pflegeverhältnisses

Bedingungen, Situationen und die damit verknüpften Ursachen können zum Wechsel in ein anderes Pflegeverhältnis oder in eine stationäre Einrichtung führen – sie können aber auch andere Alternativen verlangen bzw. provozieren (z. B. Rückführung in die Herkunftsfamilie, vorzeitige Verselbstständigung).

 

b) Unterbringungen bzw. Aufenthaltsorte nach ungeplanten Beendigungen

Legen die Beendigungsgründe einen Wechsel des Pflegekindes in eine andere Pflegefamilie nahe, so ist diese unter Beachtung der Beendigungsursachen durch den PKD auszusuchen und auf die Unterbringung vorzubereiten. Lässt es die Zeit zu – ist also nicht eine bestimmte Eile geboten –, so sollte ein entsprechender Vermittlungs- (vgl. Kap. 6.2), ein Anbahnungs- (vgl. Kap. 6.3) und ein Begleitungsprozess (vgl. Kap. 6.4) durchgeführt werden. Der PKD bleibt bei Dauerpflegen fallführend und ist für die weitere Hilfeplanung und die Erstellung des Hilfeplans zuständig (vgl. Kap. 2.1.1).

Legen die Beendigungsgründe einen Wechsel des Pflegekindes in eine stationäre Unterbringung oder eine Erziehungsstelle nach § 34 SGB VIII nahe, so ist diese ebenfalls unter Beachtung der Beendigungsursachen durch den PKD auszusuchen und auf die Unterbrin­gung vorzubereiten. Lässt es die Zeit zu – ist also nicht eine bestimmte Eile geboten –, so sollte ein entsprechender Vermittlungs- (vgl. Kap. 6.2), ein Anbahnungs- (vgl. Kap. 6.3) und ein Begleitungsprozess (vgl. Kap. 6.4) durchgeführt werden. In der Regel gibt bei einer Dauerpflege nach dem Wechsel des Pflegekindes in eine Unterbringung nach § 34 SGB VIII der PKD die Fallverantwortung an den ASD ab. In fachlich begründeten Fällen kann die Fallverantwortung aber auch beim PKD bleiben. Dies ist vor allen Dingen dann der Fall, wenn ein gewachsenes Vertrauensverhältnis zwischen der Fachkraft des PKD und dem Pflegekind besteht (vgl. Kap. 2.1.1). Hierüber ist mit dem ASD Einvernehmen herzustellen (vgl. Kap. 2.1.2).

Legen die Beendigungsgründe einen Wechsel des Pflegekindes in eine andere Unterbringung nahe, so ist diese ebenfalls unter Beachtung der Beendigungsursachen durch den PKD auszusuchen. Hierbei kann es sich z. B. um eine betreute Wohnform handeln. Auch in diesen Fällen ist zu überlegen, ob die Fallverantwortung – wie vorgesehen – auf den ASD übergeht, oder ob es nicht geboten erscheint, den PKD weiter in der verantwortlichen Betreuungsarbeit zu belassen.

Geht das Pflegekind in die Herkunftsfamilie zurück, so sind – analog zur Rückführung – eventuell externe Hilfen in der Familie zu installieren, die den Übergang begleiten und auch weiterhin die Familie bei der Erziehung unterstützen (vgl. Kap. 8.1). Der Übergang in die Herkunftsfamilie ist, wenn keine Fakten dagegen sprechen und der Wechsel nicht abrupt und spontan erfolgt, vom PKD zu organisieren und vorzubereiten. Die Frage der Fallverantwortung ist mit dem ASD fachlich zu klären, der in jedem Fall zunächst zuständig wird.

 

c)  Pflegeeltern und Fachkraft des PKD nach der Beendigung

Den Pflegepersonen, die die ungeplante Beendigung möglicherweise als Versagen erleben, sollte hinsichtlich der Verarbeitung von Schuld- und Trennungsgefühlen eine Betreuung angeboten werden. Dies kann durch den PKD, eine Pflegeelterngruppe oder eine andere professionelle Hilfe erfolgen. Eine neuerliche Belegung dieser Pflegeeltern sollte erst nach einiger Zeit erfolgen, wenn das Geschehene verarbeitet wurde.

Auch die Fachkraft des PKD kann den Abbruch eines Pflegeverhältnisses als eine persönlich schwierige Situation erleben, die eine kritische Reflexion erfordert. Hier sollte die Möglichkeit bestehen, im kollegialen Team oder in einer Supervision das Geschehene aufzuarbeiten (vgl. Kap. 3.2).



[1]    Diese Empfehlungen verdanken sich den Anregungen des Handbuches zu Vollzeitpflege des Bayerischen Landesjugendamtes.


 



[1]    Vgl. zu diesem Kapitel auch Blandow, J.: Rückführung von Pflegekindern in die Herkunftsfamilie. Fakten, Erfahrungen, Überlegungen. In: Pflegekinder, Heft 1-08, S. 27 - 42 (dort auch weiterführende Literatur).

[2]    Diese Empfehlungen verdanken sich den Anregungen des Handbuches zu Vollzeitpflege des Bayerischen Landesjugendamtes.