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Autor: Georg Schäfer

Es wurden die derzeit wichtigsten Organisationstheorien und ihre Grundannahmen aufgezeigt. So scheint es zunächst erforderlich, sich bei der Beschäftigung mit der Organisation zwischen einer eher objektivistischen Sicht der Verwaltung als formal-rationale Organisation (Bürokratiemodell, MBO, Human Relations, situativer Ansatz etc.) oder einer subjektivistischen Sicht (Verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorien, evolutionäres Management etc.) zu entscheiden.

Zudem kann eine Entscheidung über den Ausgangspunkt der Betrachtungen und die Zielstellung erfolgen. Geht es um Struktur (MBO) oder die Einflussnahme auf die Angestellten als entscheidender Faktor (Human Relations, Verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorien, neoinstitutionalistischer Ansatz)?

Ein großer Teil der Ansätze beschäftigt sich mit den Fallstricken, Nebenwirkungen und Zielen (z. B. verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorien, Mülleimer-Modell).

Aus alledem entwickeln Organisationen und Organisationsteilnehmer*innen Haltungen – offizielle, persönliche, gelebte oder ignorierte sowie von außen (gesellschaftlich) beeinflusste Haltungen (Neoinstitutionalistischer Ansatz).

Grundlage einer Haltung ist ein zunächst persönliches Verständnis von Gesellschaft und Organisation, aber auch das Verhältnis zur Klientel und zum Unternehmen, zu Kolleg*innen und Vorgesetzten etc.

Für Leitung gibt es verschiedene Möglichkeiten, bestimmte Haltungen einzufordern oder zu unterstützen:

  • Die gelebte Vielfalt tolerieren (Ambiguitätstoleranz: jeder denkt und handelt anders, Organisation als vielfältige Einheit), …eventuell bis eine spontane Reaktion erfolgt (evolutionäres Management, Hayek),
  • Grundprinzipien vorgeben (MBO) und
  • dialogisch ausgestalten (Human-Relations).

Viele Organisationen entscheiden diese Fragen nicht, sondern handeln aus dem pragmatischen Alltag flexibel. Dennoch: Auch wer nicht explizit an einer Grundhaltung seiner Organisation arbeitet, entscheidet täglich durch das Kommunizieren und Treffen von Entscheidungen (Luhmann)[1]. Das Thema der Haltung stellt sich unausweichlich („für mich/uns gilt…“).

Die Beschäftigung mit den Organisationstheorien hat gezeigt, dass soziale Beziehungen (Kommunikationen) den Alltag strukturieren. Dabei kann es zu Missverständnissen und Nebenfolgen kommen, die nicht beabsichtigt sind und das Organisationshandeln behindern können. All das, was in sozialen Systemen passieren kann, passiert auch in Organisationen.

Keine Organisation ist gleich, insofern sind Vergleiche immer schwierig (siehe Best Practise-Vergleiche). Organisationsmythen können die Ausprägung von Haltungen beeinflussen und Authentizität verhindern. Andererseits zeigt sich auch, dass sich Mythen gerade in Non-Profit-Organisationen gezielt verwenden lassen, um Aktualität vorzutäuschen oder um von Problemen an anderer Stelle abzulenken.

Haltungen halten oft nicht das, was sie versprechen. Es geht daher um gelebte Haltungen, nicht um Haltungen auf der Theorieebene. Es muss also auch das drin sein, was draufsteht.

Wenn Organisationen dazu tendieren, Entscheidungen nicht auf struktureller Grundlage, sondern auf der Grundwahrnehmung des Austausches von sozialen Beziehungen zu treffen, hat die Arbeit an Haltungen einen besonderen Wert. Dabei sollte man immer auf die Fallstricke im Alltag achten. Wird die Organisation eher als bürokratische Maschine betrachtet, die mit Strukturentscheidungen gesteuert werden soll, ist Haltung keine herausgehobene strukturstiftende Kategorie.

Grundhaltungen sind ein Mittel zum Verständigungsprozess innerhalb der Organisation und nach außen. Sie dienen der Selbstvergewisserung und der Steuerung. Sie laden dazu ein, organisationales Handeln im hermeneutischen Sinne zu überprüfen und dienen als Richtschnur in Entscheidungsprozessen.

Wichtig sind Kriterien, an denen sich die Einhaltung der Haltungen überprüfen lassen, damit eine Haltung gelebter Alltag wird. Diese sollten Allgemeingültigkeit besitzen und sich an gesellschaftlichen Theorien oder Methoden orientieren.

Geltungsansprüche nach Habermas

Unabdingbar wichtig sind Voraussetzungen, die sich an den vier Geltungsansprüchen nach Habermas orientieren:

Habermas (1973) unterteilt die Geltungsansprüche in:

  • Geltungsansprüche auf Verständlichkeit. Hier geht es um das „verstanden werden“, die sprachlich vermittelte Interaktion zwischen Handelnden (Leitung – Mitarbeiter*innen, Mitarbeiter*innen – Bürger*innen, Klient*innen – Sozialarbeiter*innen).
  • Geltungsansprüche auf Wahrheit[2] beziehen sich auf Aussagen über Sachverhalte (z. B. sehen Mitarbeiter*innen, Leitung, Politiker und Bürger*innen die Dinge genauso oder jeweils unterschiedlich?)
  • Geltungsansprüche auf Wahrhaftigkeit beziehen sich darauf, dass auch tatsächlich das gemeint wird, was gesagt wird, dass nicht gelogen wird.
  • Geltungsansprüche auf Richtigkeit beziehen sich auf den normativen Rahmen, die Legitimität und die Berechtigung, etwas Bestimmtes zu tun (Rolle Leitung, Rolle Politik, Rolle Mitarbeiter*innen, Rolle Öffentlichkeit).

Organisationslernen

Nicht nur einzelne Mitarbeitende profitieren von neuem Wissen, sondern auch die Organisation als solche. Wie ist nun die Art des Lernens in Organisationen beschaffen? Argyris beschreibt diesen Prozess als Einschleifen-Lernen (single-loop-learning) und Zweischleifen-Lernen (double-loop-learning)[3]. Einschleifen-Lernen ist eher auf die technische Anwendbarkeit gerichtet und bezieht sich auf instrumentales Lernen, das Wertvorstellungen unverändert lässt (z. B. die Verbesserung des logischen Aufbaues eines Antragsverfahrens). Doppelschleifen-Lernen zielt auf eine Veränderung von Haltungen zum Gegenstand des beruflichen Handelns und führt zu einem Wertewechsel, der die handlungsleitenden Theorien, Strategien und Annahmen verändert. Hier geht es um ein qualitatives Ziel, das durch Selbstevaluation, Reflexion von Praxis und eine veränderte Haltung zum Gegenstand herzustellen ist.

Eine Organisation lernt, wenn sie sich Informationen jeglicher Art auf welchem Weg auch immer aneignet. Lernen soll zu einer verbesserten Aufgabenerfüllung der Organisation führen. Organisationslernen, so wird häufig unterstellt, sei immer ziel- und zukunftsgerichtet, diene immer der Fortentwicklung der Organisation. Wir wissen aber, dass Individuen auch häufig gegenläufige Strategien verfolgen, so z. B. Wissen zurückhalten um Veränderungen zu verhindern, Wissen für eigene Zwecke einsetzen, oder beruflich einfach nur am persönlichen Interesse orientiert lernen. Hierauf muss umso mehr Aufmerksamkeit gerichtet werden, wenn es um organisationales Lernen in Organisationen geht.

Organisationales Lernen muss in der gesamten Organisation implementiert sein und ist nicht alleinige Leitungsaufgabe („Chef denkt und lenkt“).



[1]     vgl. Luhmann, Niklas (2016): Der neue Chef.

[2]     oder: „Annäherung an Wirklichkeit“, da i. S. des Subjektivismus/Konstruktivismus „die Welt erst im Kopf entsteht“ und die Wirklichkeit von den Organisationsmitgliedern selbst konstruiert wird.

[3]     Argyris, Chris und Schön, Donald A. (2008): Die lernende Organisation: Grundlagen, Methode, Praxis, S. 45.

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