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2. Organisation und Kooperation in der Vollzeitpflege

Dieses Kapitel enthält Vorschläge für die Ausgestaltung der internen und externen Organisation und Kooperation. Dabei stehen das Verhältnis zwischen Allgemeinem Sozialdienst (ASD) und einem speziellen Dienst für die Aufgaben des Pflegekinderwesens innerhalb eines Jugendamtes einerseits und die nach außen gerichteten Aktivitäten hinsichtlich der Kooperation mit anderen Jugendämtern und freien Trägern anderseits im Vordergrund der Betrachtung.

Die Ausführungen über amtsinterne Kooperationen gehen von der Prämisse aus, dass ASD und Pflegekinderdienst als gleichberechtigte Abteilungen von Jugendämtern einander ergänzende Aufgaben wahrzunehmen haben. Die Form von Arbeitsteilung und Kooperation wird dabei je nach der Perspektive eines Pflegeverhältnisses variieren. Die unterschiedlichen Konstellationen werden im Kapitel 2.1 beschrieben.

Erfahrungsgemäß gestalten sich Kooperationsbeziehungen befriedigender und reibungsloser, wenn sie auf schriftlich fixierten Vereinbarungen zwischen den Beteiligten basieren. Die Anlagen 1 bis 3 zu diesem Kapitel enthalten Vorschläge zu den Themen und zur Struktur von Vereinbarungen, die Anlage 4 zwei ausgearbeitete, in der Praxis bereits bewährte Kooperationsvereinbarungen.

Besonderheiten für Organisation und Ausgestaltung von Kooperationsbeziehungen ergeben sich bei einer sozialräumlichen Ausgestaltung bzw. einer bezirklichen Gliederung von Jugendämtern. Auf sie wird in Kapitel 2.1.3 eingegangen.

Die Bereitschaftspflege ist in der jugendamtlichen Praxis unterschiedlich verortet; sie wird mal dem Bereich der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII zugerechnet, mal dem Pflegekinderbereich. Dieser Besonderheit tragen die Empfehlungen des Kapitels 2.1.4 Rechnung.

Neben Fragen der internen Organisation und Kooperation werden Formen der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Jugendämtern, Beziehungen von Jugendämtern zu freien Trägern und Zusammenschlüssen von Pflegeeltern sowie Fragen zum fachlichen Austausch in Fachgremien behandelt (Kap. 2.2.1 bis 2.2.3). Die Zusammenarbeit zwischen Jugendämtern spielt insbesondere im Kontext des § 86 Abs. 6 SGB VIII eine erhebliche Rolle, weswegen auch besonders auf Lösungsmöglichkeiten zu diesem Problembereich eingegangen wird. Darüber hinaus empfiehlt sich im Einzelfall auch eine unmittelbare Kooperation zwischen Jugendämtern, z. B. für ein gemeinsames Angebot an Schulungsmaßnahmen. Dass Pflegekinderdienste mit freien Trägern und selbst organisierten Zusammenschlüssen von Pflegeeltern kooperieren, ist nicht wirklich neu, hat aber in jüngerer Zeit über die Ausgliederung von Teilen der Pflegekinderarbeit, insbesondere im Bereich der Sozialpädagogischen und Sonderpädagogischen Vollzeitpflege, und über die häufige Beteiligung von Pflegeelternvereinigungen an Schulungsmaßnahmen an Bedeutung gewonnen. Schließlich spielt der fachliche Austausch in Fachgremien, der gerade in Niedersachsen eine lange Tradition hat, eine nicht unerhebliche Rolle für die Entwicklung gemeinsamer Perspektiven und die Weitergabe und Fortschreibung von fachlichen Standards.

2.1 Interne Organisation im Jugendamt

Die Aufgabenfelder des Bereichs „Pflegekinder“ werden häufig von widerstreitenden Interessen begleitet: Herkunftsfamilien, Pflegefamilien und nicht zuletzt die Kinder und Jugendlichen müssen mit ihren Vorstellungen und Wünschen Berücksichtigung finden. Als grobes Modell zur Bewältigung der heterogenen Aufgaben hat sich – und das nicht nur in Niedersachsen – eine Zweiteilung herausgebildet, bei der der Allgemeine Sozialdienst (ASD) für die Belange der Herkunftsfamilie und der Pflegekinderdienst für die Betreuung und Begleitung der Pflegefamilien und der Pflegekinder zuständig ist (vgl. Blandow 2004, S. 109). Diese arbeitsteilige Organisationsstruktur findet sich auch in 85 % der niedersächsischen Jugendämter. Unterhalb dieser Struktur freilich finden sich verschiedene Zuschnitte für die Bewältigung der Arbeitsaufgaben. Die Grenzen der beiden Organisationseinheiten greifen in unterschiedlicher Weise in das Feld der jeweils anderen Einheit hinein (vgl. Erzberger 2003, S. 36 ff.). Immer unter der Perspektive, dass das Wohl des Kindes auch bei der Etablierung von Arbeitsstrukturen oberste Priorität haben sollte, wird in diesem Kapitel ein bestimmtes Modell der Organisation der Arbeit und der Verteilung der Aufgaben als genereller Standard vorgeschlagen. Jugendamtsspezifische Ausformungen dieses Standards aufgrund individueller Bedingungen sollen dabei nicht ausgeschlossen werden.

2.1.1 Aufgaben von PKD und ASD bei einer Fremdunterbringung

Zur Erfüllung der unterschiedlichen Aufgaben wird die Einrichtung eines Dienstes für die Belange des Pflegekinderwesens als unabdingbar angesehen, da für die Arbeit in diesem Bereich spezifische Anforderungen und Interessen aufeinander abgestimmt werden müssen.

In diesem Sinne ist der PKD im Organisationsgefüge des Jugendamtes zuständig für alle Belange der Pflegefamilie/Pflegekinder nach § 33 SGB VIII. Dazu gehören die Werbung, Vorbereitung und Auswahl von Pflegeeltern, die Organisation des Vermittlungsprozesses, die fachliche Begleitung des Pflegeverhältnisses und die Bereitstellung von Fortbildungen und Supervision für die Pflegeeltern.

Dem ASD obliegen dagegen die Belange der Herkunftsfamilien und der noch in ihnen befindlichen Kinder. Da nach der Inpflegegabe eines Kindes oder Jugendlichen neben der Herkunftsfamilie eine zweite Ergänzungs- oder Ersatzfamilie – die Pflegefamilie – existiert, geht es in vielen Fällen auch um das Verhältnis der beiden Familien zueinander, insbesondere um Arrangements für Besuchskontakte. Unvermeidlich ist damit auch das Verhältnis von ASD zu PKD berührt. Eine geordnete und möglichst reibungsfreie, enge Kooperation zwischen den beiden Diensten ist daher unumgänglich.

Ausgehend von der Aufgabenzuschreibung ist es grundsätzlich geboten, den PKD mit eigener Verantwortung und entsprechenden Befugnissen auszustatten. Der Pflegekinderdienst sollte nicht dem ASD nach- oder untergeordnet sein, sondern auf organisatorisch gleicher Höhe operieren. Innerhalb der Organisation des Jugendamts könnte unter der Einheit „Kommunaler Sozialdienst“ eine Differenzierung in „Allgemeinen Sozialdienst“
(oder „Bezirkssozialdienst“) und „Pflegekinderdienst“ eingeführt werden.

Schaubild 1: Verhältnis des Allgemeinen Sozialdienstes zum Pflegekinderdienst


Image Modified

Von zentraler Bedeutung wird die Kooperation gerade auch dann, wenn für das Kind eine Rückkehroption besteht und der ASD für entsprechende Schritte und Veränderungen in der Herkunftsfamilie Sorge zu tragen hat. Gleiches trifft auch zu, wenn in der Herkunftsfamilie noch weitere Kinder im Rahmen von Hilfen zur Erziehung unter der Verantwortung des ASD betreut werden.

Arbeitsteilung, Kooperationsbeziehungen und Verantwortlichkeiten zwischen ASD und PKD lassen sich nicht statisch bestimmen, sondern unterscheiden sich nach Lage der Fälle. Grundsätzlich aber muss es eine enge Verzahnung zwischen der Arbeit des ASD und der des PKD geben, deren Intensität je nach Fall und während des Verlaufs eines Falles variieren kann. Entscheidend dabei ist die Perspektive, die mit dem Fall verbunden wird. Unter diesem Aspekt können vier Fallkonstellationen, die nach unterschiedlichen Prozessen und Verzahnungen verlangen, unterschieden werden:

a)  Fälle mit einer zeitlich befristeten Perspektive (Rückkehr des Kindes/Jugendlichen in die Herkunftsfamilie),

b)  Fälle mit einer zeitlich unbefristeten Perspektive (dauerhafter Verbleib des Kindes/Ju­gendlichen in der Pflegefamilie),

c)  Fälle mit einer ungeklärten Perspektive,

d)  Fälle mit einer ungeplanten Beendigung der Hilfe.

Die vier Konstellationen verlangen nach unterschiedlicher Ausgestaltung von Kooperationsbeziehungen zwischen ASD und Pflegekinderdienst. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass sich Perspektiven und Fallkonstellationen im Laufe eines Pflegeverhältnisses verändern können; so verschiebt sich etwa eine Perspektive zur Rückkehr eines Kindes in die Herkunftsfamilie im Laufe der Zeit aufgrund neuer Erkenntnisse zu einer Perspektive des Verbleibs des Kindes in der Pflegefamilie. In einem solchen Mehrphasenprozess verändern sich dann auch Anforderungen an die Kooperation von ASD und PKD. Entsprechend ändert sich auch die Art der Verzahnung der Arbeit der beiden jugendamtlichen Dienste.

Die Kooperation von ASD und PKD sollte allerdings bereits im Vorfeld einer Fremdplatzierung beginnen und den Prozess der Entscheidung über eine Hilfe mit einbeziehen.

2.1.1.1 Hilfeprozess

Der PKD ist so früh wie möglich in den Hilfeprozess einzubinden. Dies sollte schon geschehen, wenn im Zuge der Anamnese (und möglicherweise auch schon im vorgelagerten Beratungsprozess) Hinweise auf eine mögliche Fremdplatzierung sichtbar werden. Dabei wird der PKD als Fachinstanz zur Bewertung einer möglichen Fremdunterbringung angesehen, unabhängig davon, ob es sich um eine Unterbringung nach § 33 oder § 34 SGB VIII handelt. Die Entscheidung über eine Unterbringung bzw. die Art der Unterbringung ist das gemeinsame Ergebnis von ASD und PKD bei der Aufstellung des Hilfeplans. Eine enge Verzahnung von PKD und ASD ist im Eingangsprozess unerlässlich. Die Zuständigkeit für die Aufstellung des Hilfeplans und für das erste Hilfeplangespräch liegt beim ASD (vgl. Schaubild 2 und Tabelle 2).

Schaubild 2:    Eingangsprozess

Tabelle 2: Eingangsprozess

 

 

ASD

PKD

 

Zeitpunkt des Einbezugs

Auftritt des Falles

Phase der Beratung,
Anamnese

 

Art des Einbezugs

Beratung, Aufstellung HP

fachlicher Austausch, Mitwirkung HP

 

Intensität der Kooperation

Hoch

Hoch

 

Zuständigkeit HP/HPG

X

 

 

Teilnehmer HPG

X

wenn Unterbringung nach § 33 oder § 34 SGB VIII

HF; Kind/Jugendlicher, ggf. andere Fachpersonen

 

Ausgehend von diesem Eingangsprozess differenzieren sich dann die Formen der Zusammenarbeit je nach Perspektive des Pflegeverhältnisses aus. Empfohlen wird, sich an den nachfolgenden Empfehlungen zur Ausgestaltung der Kooperation zu orientieren.

a)  zeitlich befristete Perspektive: Rückkehr in die HF

Wenn – nach Abwägung der Fakten – die Perspektive einer Rückkehr des Kindes/Ju­gendlichen in die Herkunftsfamilie besteht, so bleibt der ASD für den Fall zuständig. Ihm obliegen weiterhin die Fortschreibung des Hilfeplans und die Durchführung der Hilfeplangespräche. Er ist auch für die möglichen Hilfen in der Herkunftsfamilie verantwortlich, die im Zuge der Hilfeplanerstellung beschlossen wurden. Der PKD betreut die Pflegefamilie und das Pflegekind und übermittelt an den ASD die Informationen über die Entwicklung des Pflegekindes, die zur Beurteilung einer Rückführung notwendig sind. Eine Rückführung ist erst dann möglich, wenn dies in einer gemeinsamen Einschätzung zwischen ASD, PKD und HF festgestellt wird (vgl. Schaubild 3 und Tabelle 3). Von grundsätzlicher Bedeutung für eine Rückführung ist die Einschätzung der Betreuungsqualität und der Erziehungsfähigkeit der HF zum Rückführungszeitpunkt und eine Prognose hinsichtlich der weiteren Entwicklung. Zur Unterstützung der Rückführung und der Erstellung einer Prognose sollte ein begleitender Dienst – auch eines freien Trägers – eingesetzt werden (vgl. Kap. 1.1.3).[1]

Schaubild 3: Zeitlich befristete Perspektive (Rückkehr in die HF)


Tabelle 3: Zeitlich befristete Perspektive (Rückkehr in die HF)

 

 

ASD

PKD

 

Art des Einbezugs

Verantwortlich für die Arbeit mit HF (evtl. Durchführung von Maßnahmen im Rahmen der Hilfeplanung durch einen Träger)

Informationen über die Entwicklung des PK

 

Intensität der Kooperation

Mittel

Mittel

 

Zuständigkeit HP/HPG

X

 

 

Teilnehmer HPG

X

X

HF; Kind/Jugendlicher, ggf. andere Fachpersonen

 

b) zeitlich unbefristete Perspektive: Dauerpflege in der PF

Wenn – nach Abwägung der Fakten – die Perspektive eines Verbleibs des Kindes/Ju­gendlichen in der Pflegefamilie besteht, so wird der PKD für den Fall zuständig. Ihm obliegen dann die Fortschreibung des Hilfeplans und die Durchführung der Hilfeplangespräche. Er ist darüber hinaus für die Betreuung der Pflegefamilie und des Pflegekindes verantwortlich. Der ASD (soweit dieser auf der Grundlage weiterer Hilfen für verbliebene Kinder weiterhin in der HF tätig ist) übermittelt die Informationen über die Entwicklung der Herkunftsfamilie, die zur Betreuung des Pflegekindes und zur Durchführung von Kontakten notwendig sind (vgl. Schaubild 4 und Tabelle 4).

Schaubild 4: Verbleib in der PF


Tabelle 4: Verbleib in der PF

 

 

ASD

PKD

 

Art des Einbezugs

Informationen über die Entwicklung in HF

Betreuung PF, PK, persönliche Kontakte zu HF, Information des ASD

 

Intensität der Kooperation

Mittel

Mittel

 

Zuständigkeit HP/HPG

 

X

 

Teilnehmer HPG

 

X

HF; PF; Kind/Jugendlicher

 

c)  Ungeklärte Perspektive

Wenn die Perspektive eines Kindes/Jugendlichen ungeklärt ist – typische Fallkonstellationen sind z. B. ungeklärte rechtliche Verfahren oder ein unbekannter Aufenthalt der Eltern – bleibt der ASD zuständig, womit die Herkunftsfamilie deutlich im Fokus der Aufmerksamkeit bleibt. Der ASD hat die Möglichkeiten einer Rückführung zu klären und ggf. Hilfen zur Unterstützung einzusetzen. Entsprechend obliegen ihm die Fortschreibung des Hilfeplans und die Durchführung der Hilfeplangespräche. Er hat darüber hinaus die Aufgabe, den PKD über alle Veränderungen und Entwicklungen zu informieren, die zur Klärung der Perspektive beitragen können, und unterstützt den PKD bei der Durchführung der Umgangskontakte. Der PKD betreut die Pflegefamilie und das Pflegekind und führt in Absprache mit dem ASD Besuchskontakte durch. Er sammelt Informationen über das Pflegekind, die zur Klärung der Perspektive beitragen können. ASD und PKD arbeiten bei der Hilfeplanung entsprechend eng zusammen, um eine gesicherte Perspektive für das Pflegekind / den Jugendlichen zu entwickeln. Abhängig vom Alter des Pflegekindes und seiner individuellen Situation ist für die Perspektivklärung eine zeitliche Befristung festzulegen – bei Kindern unter drei Jahren in der Regel nicht mehr als zwölf Monate, bei älteren Kindern höchstens bis zu zwei Jahren. Diese sollte eingehalten und nur durch gesonderte Begründung verlängert werden (vgl. Schaubild 5 und Tabelle 5).

Schaubild 5:    Nicht geklärter Verbleib


Tabelle 5: Nicht geklärter Verbleib

 

 

ASD

PKD

 

Art des Einbezugs

Informationen über die Entwicklung in HF,
Arbeit in HF (evtl. Durchführung von Maßnahmen im Rahmen der Hilfeplanung durch einen Träger),
Klärung der Perspektive in HF

Betreuung PF, PK, persönliche Kontakte zur HF
Information des ASD
Klärung der Perspektive in PF/mit PK

 

Intensität der Kooperation

Hoch

Hoch

 

Zuständigkeit HP/HPG

X

 

 

Teilnehmer HPG

X

X

HF, PF; Kind/Jugendlicher

 

d) (Spontane, nicht geplante) Beendigung

Im Prinzip folgt die Beendigung dem gleichen Prozess wie die perspektivische Rückführung in die Herkunftsfamilie. Sollte der PKD zuvor zuständig gewesen sein, so geht die Zuständigkeit und Verantwortung nun auf den ASD über. Hier ist ein intensiver Austausch von Informationen unverzichtbar, da möglicherweise eine Anschlusshilfe über den ASD installiert werden muss. Der Hilfeplan wird vom ASD erstellt, wobei der PKD maßgebliche Informationen über das Pflegekind einbringt, die dann zu konkreten Zielen der Hilfe verdichtet werden müssen (vgl. Schaubild 6 und Tabelle 6).

Schaubild 6: (Spontane, nicht geplante) Beendigung


Tabelle 6: (Spontane, nicht geplante) Beendigung

 

 

ASD

PKD

 

Art des Einbezugs

Klärung der Perspektive in HF
Arbeit in HF

Betreuung PF, PK, persönliche Kontakte zur HF,
Information des ASD
über Beendigung

 

Intensität der Kooperation

Hoch

Hoch

 

Zuständigkeit HP/HPG

X

 

 

Teilnehmer HPG

X

X

HF, PF; Kind/Jugendlicher

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Abweichend von der Regelhaftigkeit des konsequenten Übergangs der Verantwortung an den ASD bei Beendigungen, hat sich in einigen Jugendämtern das Verfahren bewährt, speziell bei Übergängen von der Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII in stationäre Unterbringung nach § 34 SGB VIII und bei Verselbstständigungen die Verantwortung beim PKD zu belassen. Dieser bereitet die Übergänge vor und hält weiter Kontakt zu den Institutionen bzw. dem jungen Erwachsenen.

2.1.1.2 Phasenstruktur des Prozesses[2]

Während der Zeit, die das Kind / der Jugendliche sich in Betreuung außerhalb der Familie befindet, kann es zu Perspektivwechseln kommen – mit der Folge, dass die Fremdplatzierung mehrere Phasen aufweisen kann, die auch die Zuständigkeiten tangieren.

Einphasigkeit: Die angedachte Perspektive kann verwirklicht werden, entsprechend finden Zuständigkeitswechsel nicht statt. Die der Perspektive zugrunde liegende Aufgabenteilung zwischen ASD und PKD muss nicht verändert werden.

Mehrphasigkeit: Es kommt während der Dauer der Fremdplatzierung zu Situationen, die einen Perspektivwechsel verlangen. Je nach Art der Situation kann es dann auch zum Wechsel der Zuständigkeit kommen.

Das Verhältnis von ASD und PKD kann beschrieben werden als zwei parallel laufende Arbeitsgebiete, die durch wechselseitig zu erledigende Aufgaben und Kooperationen miteinander verbunden sind. Je nach Perspektive kommen mehr oder weniger Aufgaben und Kooperationsanforderungen auf die beiden beteiligten Parteien zu, wobei das Gewicht der Zuständigkeit sich phasenweise sehr unterschiedlich verlagern kann. Das Schaubild zeigt ein Beispiel der Mehrphasigkeit des Hilfeprozesses.


Schaubild 7: Kooperation und Aufgabenteilung zwischen ASD und PKD

Grundsätzlich sind noch mehr Phasen sowie andere Phasenkombinationen, und damit auch weitere Verantwortungswechsel, denkbar.

2.1.1.3 Verzug der Herkunftseltern innerhalb des Jugendamtsbezirks

Wenn die Herkunftseltern (Sorgeberechtigten) keine weiteren Kinder haben und innerhalb des Jugendamtsbezirkes umziehen, so bleibt die PKD-Fachkraft für die Betreuung des Pflegeverhältnisses zuständig, in deren Zuständigkeitsbereich die Pflegeeltern ihren Wohnsitz haben.

2.1.2 Arbeitsstrukturen und Kooperationsmodelle

Allgemeiner Sozialdienst und Pflegekinderdienst sind zwei gleichberechtigte Arbeitsgebiete des Jugendamtes. Sie stehen organisatorisch auf einer Ebene und decken unterschiedliche Bereiche ab. Da sie aber funktional aufeinander angewiesen sind, ist die Effektivität der Zusammenarbeit von einer genauen Beschreibung der jeweils durchzuführenden Aufgaben und Absprachen abhängig. Um diese Beschreibungen leisten zu können, ohne dass Trennendes in den Vordergrund gerückt wird, ist es von Vorteil, die Grundlage der gemeinsamen Arbeit zu definieren, Aufgabenbeschreibungen für die jeweiligen Sachgebiete anzufertigen und eine Kooperationsvereinbarung abzuschließen.


Schaubild 8:     Arbeitsgrundlage, Aufgaben und Kooperationsvereinbarung


Eckpunkte für eine Arbeitsgrundlage der Zusammenarbeit von ASD und PKD

Die Entwicklung einer Arbeitsgrundlage soll das gegenseitige Verständnis für die Arbeit und die Durchführung der unterschiedlichen Aufgaben fördern. Sie sollte daher gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern des PKD und des ASD im Rahmen einer Organisationsentwicklung erstellt werden. Notwendig ist dabei eine offene Diskussion und Reflexion mit dem Ziel, das Feld der gegenseitigen Aufgaben und „Überlappungszonen“ zu sondieren und so ein hohes Maß an Vertrauen in die Qualität und Verlässlichkeit der Arbeit im Rahmen von Fremdplatzierungen und Vollzeitpflege zu erreichen. Da in den Jugendämtern unterschiedliche organisatorische Bedingungen und „Traditionen“ vorherrschen, kann dazu in diesen Empfehlungen kein fertiges Konzept präsentiert werden. Gleichwohl können Eckpunkte für die Entwicklung einer Arbeitsgrundlage der Zusammenarbeit zwischen ASD und PKD identifiziert werden. Eine exemplarische Aufstellung findet sich in der Anlage 1 zu diesem Kapitel.

Eckpunkte für eine Aufgabenbeschreibung für die beiden Sachgebiete ASD und PKD

Die beiden Sachgebiete ASD und PKD definieren aus ihrer jeweiligen Perspektive heraus die Aufgaben, die sie im Hilfeprozess zur Unterstützung der gemeinsamen Arbeit übernehmen. Damit grenzen sie die Aufgabengebiete gegeneinander ab und schaffen Sicherheit im Hinblick auf die gegenseitigen Erwartungen bei der Arbeit an einem Fall (Gleiches gilt auch für den Bereich der Bereitschaftspflege). Eine exemplarische Aufstellung von Eckpunkten einer Aufgabenbeschreibung für den PKD findet sich in der Anlage 2, eine entsprechende Aufstellung für den ASD in Anlage 3.

Sicherung der gemeinsamen Arbeit durch Kooperationsvereinbarungen

Die Entwicklung einer Arbeitsgrundlage und die Arbeit an den Aufgabenbeschreibungen kann in eine Kooperationsvereinbarung zwischen ASD und PKD (und wo vorhanden, den eigenen Bereich der Bereitschaftspflege) münden. Es ist dabei in der Regel nicht notwendig, den gesamten Bereich der Arbeit in die Vereinbarung einzubeziehen, vielmehr sollte die Entwicklung auf die Themen und Felder beschränkt werden, die einer Regelung und Verständigung bedürfen. Die Vereinbarung sollte in jedem Fall von den Vertreterinnen/ Vertretern der beteiligten Sachgebiete unterschrieben werden.

Die Unterschiedlichkeit der Situationen und des Verhältnisses von ASD und PKD (und Bereitschaftspflege) in den einzelnen Jugendämtern erlaubt es nicht, eine allgemein gültige Kooperationsvereinbarung zu präsentieren. Um dennoch zu verdeutlichen, wie eine solche Vereinbarung aussehen könnte, finden sich in den Empfehlungen spezifische Kooperationsvereinbarungen, wie sie in zwei Jugendämtern erarbeitet wurden. Diese sind in Anlage 4 zu sehen.

2.1.3 PKD und bezirkliche Organisation des Jugendamtes

Bei einer bezirklichen Gliederung sind Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten nicht mehr zentral verankert, sondern in Sozialräume bzw. regionale Untergliederungen verlagert. Der PKD hat auf eine solche Struktur zu reagieren und muss seinerseits eine entsprechende Organisationsform bereitstellen.[3]

a)  Bezirksgliederung und zentraler Kernbereich des PKD

Das Charakteristikum des PKD ist seine Fokussierung auf den Hilfebedarf von Kindern und Jugendlichen, die nicht mehr bei ihren Eltern (Sorgeberechtigten) wohnen und sehr unterschiedliche Hilfebedarfe aufweisen. Um diesen gerecht zu werden und Pflegeeltern entsprechend zu schulen, auszuwählen und später in der Pflege zu begleiten, ist es notwendig, entsprechende Qualifikationen zu entwickeln und bereitzuhalten. Diese Kompetenzen eines speziellen Dienstes können aber nur dann effektiv eingesetzt werden, wenn das Team in direkter Zusammenarbeit agieren kann.

Die probleminduzierte Differenzierung der Pflegearten im Pflegekinderdienst (Allgemeine Vollzeitpflege, Sozialpädagogische Vollzeitpflege, Sonderpädagogische Vollzeitpflege) macht eine weitere Qualifizierung mit entsprechender Aufgabenaufteilung notwendig, z. B. sollten die Sonderpädagogischen Vollzeitpflegen von speziell geschulten Fachkräften betreut werden. Damit aber stehen nicht für jeden Bezirk entsprechende Fachkräfte für die „besonderen“ Pflegearten zur Verfügung. Diese Pflegearten müssen in jedem Fall zentral betreut werden.

Beide Gesichtspunkte legen nahe, auch bei bezirklicher Gliederung einen Kernbereich des PKD zu erhalten. Hierfür sprechen zudem die in jedem Fall zentral zu leistenden Aufgaben der Werbung, Vorbereitung und Fortbildung von Pflegeeltern. Solche Arbeiten können nur in einem größeren Rahmen erledigt werden und entziehen sich daher der Zuordnung zu bestimmten Bezirken. Um der bezirklichen Untergliederung dennoch gerecht werden zu können und die Vorteile dieser Organisationsform auszunutzen, sollte der PKD eine Struktur lokaler „Spezialisten“ schaffen. Hierbei werden – bei Beibehaltung einer zentralen Organisationsform – einzelne Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter einem bestimmten Bezirk zugeordnet. Auf diese Weise behalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ASD aus den einzelnen Bezirken zum einen konkreten Ansprechpartner im Falle einer anstehenden Fremdplatzierung, zum anderen können sich die „lokalen Spezialisten“ gezielt spezifischen bezirklichen Aufgaben widmen.

Spezifische Aufgaben der bezirklich zugeordneten Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter

Durch die organisatorische Zuordnung einer Person des PKD zu einem Bezirk können Tätigkeiten durchgeführt werden, die über die Arbeit an einem Einzelfall hinausgehen. Hier sind vor allen Dingen zu nennen: Pflegeelterngruppenarbeit, milieunahe Unterbringung und Patenschaften.

Pflegeelterngruppenarbeit: Regionalspezifische Pflegeelterngruppenarbeit kann zu engeren Kontakten zwischen den Pflegeeltern führen, da deren Wohnorte in erreichbarer Entfernung zueinander liegen. Auch der Aufbau lokaler Netzwerke (z. B. Vereine, schulische Nachhilfe, Freizeiteinrichtungen) zur Unterstützung der Betreuung kann dadurch nicht nur für einen Einzelfall genutzt werden, sondern kommt mehreren Kindern und Jugendlichen aus verschiedenen Familien zugute.

Milieunahe Unterbringung: Im Bereich der milieunahen Unterbringung spielt der Bezirk eine besondere Rolle. Hier sind vor allen Dingen die Formen der Unterbringung zu nennen, bei denen die Pflegepersonen dem Kind oder Jugendlichen bereits bekannt sind. Dies ist bei der Vermittlung in Verwandtenpflegestellen der Fall, bei denen die Kinder mit diesen Personen zum Teil schon von Geburt an verbunden sind. Ähnlich verhält es sich bei Unterbringungen, die über das Social Network Care zustande kommen. Hier sind es mit dem Kind nicht verwandte Erwachsene, die die Kinder unter anderen Bedingungen kennen gelernt haben – sei es im privaten Bereich (z. B. Sportverein) oder über die berufliche Tätigkeit (z. B. Kindergarten) – und die nun möglicherweise für die Rolle als Pflegepersonen interessiert werden können bzw. sich selbst als Pflegepersonen zur Verfügung stellen.

Patenschaften: Die Milieunähe spielt auch bei den Patenschaften für Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen eine Rolle. Auch hier bietet es sich an, dass die Entfernung zwischen dem Wohnsitz des Paten / der Patin und der Wohnung der Familie des zu betreuenden Kindes möglichst gering ist. Nur dann liegen auch spontane Hilfen und gegenseitige Kurzbesuche im Bereich des Möglichen.


Schaubild 9:    Aufgaben des PKD in den Bezirken

b) Bezirklich zugeordnete Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter und überbezirkliche Vollzeitpflege

Im Kapitel 2.1.1.2 wurde die Phasenstruktur für die sachliche und zeitliche Dimension des Prozesses beschrieben. Mit der bezirklichen Teilzuordnung des PKD ergibt sich aber zusätzlich auch dann eine räumliche Dimension, wenn die Pflegeeltern in einem anderen Teilbezirk des „eigenen“ Jugendamtes wohnen als die Herkunftseltern. Dadurch kann es zu unterschiedlichen Abfolgen von sachlichen und zeitlichen Phasen und deren Kombination mit räumlichen Dimensionen des Ortes kommen. Unter dieser Perspektive ist gleichwohl bei Entscheidungen, wer innerhalb des PKD für die Betreuung zuständig ist und ggf. die Verantwortung für den Fall trägt, grundsätzlich auf Kontinuität zu achten, und es sind Wechsel möglichst zu vermeiden bzw. zu minimieren.

In der Eingangsphase nimmt bei Hinweisen auf eine mögliche Fremdplatzierung die zuständige Fachkraft des PKD, in deren Bezirk die Herkunftseltern wohnen, an den entsprechenden Hilfeplanungen teil (vgl. Kap. 2.1.1). Verdichten sich die Informationen in Richtung einer Fremdplatzierung, so wird im Mitarbeiterkreis des PKD über eine geeignete Pflegefamilie/-person beraten. Hat diese ihren Wohnsitz nicht im Wohnbezirk der Herkunftseltern, so ist schon zu diesem Zeitpunkt die Fachkraft des PKD in die Planungen einzubeziehen, in deren Bezirk die zukünftigen Pflegepersonen ihren Wohnsitz haben. Die weitere Betreuung und Mitarbeit an der Planung sowie die Fallverantwortung bei Dauerpflege wird während der gesamten Dauer der Hilfe von dieser Fachkraft geleistet. Kehrt das Kind / der Jugendliche in die Herkunftsfamilie zurück, so ist bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls die Fachkraft des Wohnbezirks der Pflegeeltern für die Betreuung der Pflegeeltern und des Pflegekindes zuständig. Wechseln die Pflegeeltern ihren Wohnsitz und ziehen in einen anderen Bezirk innerhalb des „eigenen“ Jugendamtsbereichs, so ist im Sinne der bestmöglichen Betreuung für das Kind eine Entscheidung über die weitere Zuständigkeit der PKD-Fachkraft herbeizuführen. Dies kann auch die Beibehaltung der vorhandenen Betreuungs- und Unterstützungsstruktur beinhalten. Gleiches gilt auch bei einem Umzug in den Bezirk eines „fremden“ Jugendamts.

Entsprechend ist auch zu verfahren, wenn das Kind / der Jugendliche in einer Pflegefamilie zur Betreuung untergebracht wird, die ihren Wohnsitz im Bezirk eines anderen Jugendamts hat. Soweit nicht im Rahmen einer Kooperation oder Amtshilfe (vgl. Kap. 2.2.1) von vornherein eine andere Lösung entwickelt wird, bleibt die Fachkraft des PKD zuständig, die die Betreuung von Beginn an übernommen hat. Ein Betreuungswechsel findet erst nach zwei Jahren aufgrund der Regelungen des § 86 Abs. 6 SGB VIII statt (vgl. Kap. 4.2.1).

 

Schaubild 7:    Kooperation ASD/PKD bei bezirklicher Untergliederung

2.1.4 Verantwortlichkeiten im Bereich der Inobhutnahmen nach § 42 SGB VIII

Die Inobhutnahme stellt ein ganz eigenes System der Fremdplatzierung dar, das zwar Berührungspunkte mit dem Pflegekinderdienst aufweist, jedoch im Wesentlichen durch den ASD belegt und gesteuert wird.

Soweit für Inobhutnahmen nicht Notaufnahmeeinrichtungen herangezogen werden, geschieht die Unterbringung in speziell dafür ausgesuchten und fortgebildeten Bereitschaftspflegestellen. Diese sollten ausschließlich für diese spezielle Form der Fremdplatzierung zur Verfügung stehen (vgl. Kap. 1.1). Die Betreuung und Eignungsprüfung dieser Familien sollte entweder einem eigenen Sachgebiet übertragen oder von dafür zur Verfügung stehenden Fachkräften im PKD übernommen werden (in kleineren Jugendämtern kann dies auch durch Stundenkontingente von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschehen). Eine enge Verzahnung der Kooperation mit dem ASD ist hier die Voraussetzung für eine möglichst „schonende“ kriseninduzierte Fremdplatzierung (vgl. Kap. 2.1.2). Der PKD wird erst dann stärker mit einbezogen, wenn es zu einer Überleitung aus der Inobhutnahme oder Bereitschaftspflege in eine Vollzeitpflege kommt.

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2.2 Übergreifende Kooperationen

Neben der internen Kooperation spielt die übergreifende Kooperation eine wichtige Rolle bei der Durchführung der Vollzeitpflege. Dies bezieht sich zum Ersten auf die Kooperation mit anderen Jugendämtern, zum Zweiten auf die Kooperation mit freien Trägern und Pflegeelternvereinigungen und zum Dritten auf den Austausch von Informationen über Fachgremien.

2.2.1 Kooperation mit anderen Jugendämtern

Im Wesentlichen findet die Kooperation mit anderen Jugendämtern mit Blick auf das Pflegekinderwesen in zwei Bereichen statt: bei Übernahmen nach § 86 Abs. 6 SGB VIII und bei der Organisation eines gemeinsamen Pflegekinderdienstes.

a)  Kooperation bei Übernahmen nach § 86 Abs. 6 SGB VIII

Grundsätzlich wird im Sinne der Empfehlungen davon ausgegangen, dass bei Einhaltung der zentralen Standards (Kosten, Vorbereitung, Auswahl und Betreuung von Pflegeeltern, Bereithaltung der definierten Pflegearten) die Probleme und Schwierigkeiten bei den Übernahmen nach § 86 Abs. 6 SGB VIII nicht oder nur in sehr seltenen Ausnahmefällen auftreten. Für die Übergangszeit werden weiterhin bilaterale Konsultationen notwendig sein. Bei dem Nichtvorhandensein eines differenzierten Systems der Pflegearten, wie sie im Kapitel 1 der Empfehlungen definiert sind, tritt die Übernahmeregelung in Kraft, wie sie weiter unten im Kapitel 2.2.2 beschrieben wird.

Grundsätzlich gilt: Vor einem Wechsel der Zuständigkeit hat das bisher örtlich zuständige Jugendamt die Eltern (ggf. den Vormund), die Pflegeeltern und das aufnehmende Jugendamt rechtzeitig zu unterrichten. Zur Vorbereitung der Übergabe sollten an das künftig zuständige Jugendamt alle für die Fallbearbeitung relevanten Unterlagen unter Berücksichtigung der Datenschutzbestimmungen übergeben werden. Es sollte eine Übergabesitzung mit den Pflegeeltern, den Pflegekindern (altersabhängig), den bisher für die Betreuung zuständigen Fachkräften und den zukünftig zuständigen Fachkräften stattfinden. Wenn möglich, sind auch die leiblichen Eltern, Vormund und andere an der Hilfeplanung Beteiligte mit einzubeziehen.

Übernahmen können auch im Rahmen von Amtshilfen durchgeführt werden. Dies bedeutet, dass das zuständige Jugendamt das nicht zuständige örtliche Jugendamt um die Übernahme von (Teil-)Aufgaben bittet. Entsprechend den Ausführungen des § 37 Abs. 2 ist bei der Inanspruchnahme der Amtshilfe die ortsnahe Beratung und Unterstützung sicherzustellen. Der zuständige öffentliche Träger hat dabei die aufgewendeten Kosten, einschließlich der Verwaltungskosten, zu erstatten.[1] Die rechtlichen Zuständigkeiten bleiben davon unberührt.

b) Gemeinsame Organisation des Pflegekinderwesens

Ein modernes Pflegekinderwesen ist auf arbeitsteilige Strukturen, Schwerpunktstellen für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit und die Betreuung von Kindern und Pflegeeltern in verschiedenen Pflegeformen angewiesen. Es braucht Kapazitäten für Planungs- und Entwicklungsaufgaben, für Dokumentation und Evaluation. Das Personal der Dienste ist auf kompetente Anleitung angewiesen, um seinen Funktionen nach einheitlichen Standards gerecht werden zu können.“ (Blandow 2004, S. 211). Dieses ernst nehmen heißt, dass eine Unterausstattung des Pflegekinderdienstes zu nicht ausreichender Qualität der Arbeit führen kann. Dies gilt insbesondere für kleine Jugendämter, für die der Aufbau eines eigenen Pflegekinderdienstes aus Gründen der knappen Personalkapazität nicht in der Weise möglich ist, dass eine entsprechende Qualität garantiert werden kann. Abhängig von der nach Pflegearten differenzierten Fallbelastung (vgl. Kap. 4.4) sollte ein Pflegekinderdienst so ausgestattet sein, dass er die differenzierten Aufgaben verantwortungsvoll übernehmen kann. Es wird davon ausgegangen, dass unter diesem Gesichtspunkt ein Pflegekinderdienst – in Abhängigkeit von der Größe des Jugendamtsbezirks – aus mindestens zwei Vollzeit-Fachkräften zu bestehen hat, die zudem über die entsprechenden Qualifikationen für diese Aufgabe verfügen müssen. Kann das nicht gewährleistet werden, so ist die Kooperation mit anderen Jugendämtern anzustreben, um bestimmte Teile des Pflegekinderdienstes gemeinsam zu organisieren. Wie ein solcher „interjugendamtlicher“ Pflegekinderdienst einzubinden, zu lokalisieren und zu verankern ist, kann nicht ex post festgelegt werden. Dies auszuhandeln und zu entscheiden ist eine Angelegenheit der beteiligten Jugendämter. Lokale Besonderheiten verlangen nach individuellen Lösungen. Die Möglichkeiten reichen von einer eher lockeren Verbindung, bei der die Fachkräfte in den jeweiligen Jugendämtern verbleiben und die Kooperation durch regelmäßig stattfindende Sitzungen ihren Ausdruck findet, bis zu einem gemeinsamen Dienst, der auch einen festen Standort besitzt.

Der Vorteil eines gemeinsamen Vorgehens im Bereich des Pflegekinderwesens besteht in der Aufrechterhaltung der Qualität durch fachliche Standards, Aufgabenteilung und der Erhöhung der Flexibilität durch größere Personalressourcen.

Es ist dadurch möglich,

-  Vertretungen (Urlaub, Krankheit) zu organisieren,

-  fachlichen Austausch zu organisieren,

-  kontinuierliche Betreuung sicherzustellen,

-  Spezialisierungen zu entwickeln,

-  gemeinsam Fortbildungen zu besuchen,

-  Missverhältnisse zwischen Overheadtätigkeiten und der Arbeit in der Familie zu vermeiden,

-  einen gemeinsamen „Pool“ von Pflegeeltern zu unterhalten,

-  einheitliche Werbung zu gestalten und

-  gemeinsame Informations- und Schulungsmaßnahmen durchzuführen.

2.2.2 Empfehlungen bei Übernahmen nach § 86 Abs. 6 SGB VIII

Einschlägige Paragraphen des SGB VIII für die getroffene Regelung sind: §§ 33 (insbes. Satz 2), 39 Abs. 4, 86 Abs. 6, 89a Abs. 1.[2]

Regelungsbedarfe für die Übernahmen nach § 86 Abs. 6 stellen sich grundsätzlich für alle Formen der Vollzeitpflege, soweit diese von Dauer sind, jedoch treten besondere Probleme dann auf, wenn die Differenzierung der Pflegeformen, wie sie in den Empfehlungen vorgeschlagen wird, nicht in allen Jugendämtern nachvollzogen wurde. Die dadurch existierende Unterschiedlichkeit der Qualitätsstandards und der finanziellen Aufwendungen macht Regelungen für diesen Bereich unausweichlich.

Für die Formen „Patenschaften für Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen“ und die „Befristete Vollzeitpflege mit Rückkehroption“ sind Empfehlungen für die Umsetzung von Zuständigkeitswechseln nach § 86 Abs. 6 SGB VIII nicht notwendig, da entweder eine andere Rechtszuordnung existiert oder der Tatbestand eines Wechsels nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgrund der Befristung nicht vorliegt (vgl. Kap. 1.1, 1.3).

Unabhängig von den Empfehlungen zur Umsetzung von Zuständigkeitswechseln nach § 86 Abs. 6 SGB VIII sind Zuständigkeitsveränderungen aufgrund von Umzügen der Personensorgeberechtigten. Zu ihnen wird empfohlen, grundsätzlich den Zuständigkeitswechsel vorzunehmen. Es sollte jedoch die Möglichkeit der Amtshilfe genutzt werden, wenn unklar ist, ob das jetzt zuständige Jugendamt dauerhaft zuständig bleibt. Im Sinne der Beratungskontinuität kann die Betreuung und Begleitung der Pflegeeltern und Pflegekinder durch das abgebende Jugendamt im gegenseitigen Einvernehmen weitergeführt werden.

Informationspflicht

Wird eine Vollzeitpflege bei Pflegeeltern initiiert, die nicht im eigenen Jugendamtsbezirk wohnen, so ist das örtliche Jugendamt[3] vorab darüber zu informieren, da es gemäß des § 86 Abs. 6 SGB VIII nach Ablauf von zwei Jahren zu einem Zuständigkeitswechsel kommen kann. Das ggf. nach zwei Jahren zuständig werdende Jugendamt hat dann Zeit, sich auf die Übernahme einzustellen (nähere Ausführungen siehe Muster zur Kooperationsvereinbarung im Anhang zu diesem Kapitel).

„Normale“ Durchführung des § 86 Abs. 6 SGB VIII

Kommt es nach zwei Jahren oder im Zuge einer Amtshilfe zu einer Übernahme eines Pflegeverhältnisses, so ist dies in der Regel dann nicht mit Problemen verbunden, wenn aufseiten des abgebenden und aufseiten des aufnehmenden Jugendamtes die – in den hier präsentierten Empfehlungen definierten – auf Dauer angelegten Pflegeformen eingeführt sind (Kap. 1.2) und eine einheitliche Regelung für die finanziellen Leistungen existiert (Kap. 4). Die bruchlose materielle und pädagogisch-betreuende Unterstützung und Begleitung sorgt dafür, dass eine Übernahme nach § 86 Abs. 6 SGB VIII ohne „Reibungsverluste“ durchgeführt werden kann. Das aufnehmende örtlich zuständige Jugendamt ist rechtzeitig von der Übernahme durch das abgebende Jugendamt zu informieren. Dies kann in einem Kooperationsvertrag geregelt werden.

Durchführung des § 86 Abs. 6 SGB VIII bei ungleichen Bedingungen

Mit der Umsetzung dieser Empfehlungen sollten die nachfolgenden Ausführungen auf we­nige Ausnahmen beschränkt sein bzw. nur noch bei Pflegeverhältnissen zur Anwendung kommen, die Landesgrenzen überschreiten:

Fehlt im Bereich des örtlich zuständigen Jugendamtes eine dem abgebenden Jugendamt adäquate Pflegeform, so ist zur Sicherung der Qualität der Dienstleistungen für die Pflegeeltern ein Kooperationsvertrag zwischen den Ämtern zu schließen. Gleiches trifft auch für Fälle zu, in denen das die Vollzeitpflege initiierende Jugendamt nach § 39 Abs. 4 SGB VIII spezielle – über die in den Empfehlungen beschriebene Standardisierung hinausgehende – Pflegeformen mit entsprechenden Leistungen anbietet, die aber vom örtlichen Jugendamt nicht erbracht werden können.

Um individuellen Spielraum bei der Gestaltung der Übernahmen zu gewährleisten, sollen abgebende und aufnehmende Jugendämter eine Kooperation miteinander eingehen und diese durch eine Vereinbarung absichern, die alle wesentlichen, einzelfallübergreifenden Bereiche regelt. Zur Grundlage dieser Regelungen sollen die beschriebenen Pflegearten und finanziellen Leistungen dienen (Kap. 1 und 4). Weitergehende oder auch abweichende Regelungen (z. B. Finanzierung einer Fachberatung für die Pflegefamilie durch einen freien Träger) sind hier möglich. Grundsätzlich ist bei der Vereinbarung darauf zu achten, dass keine erheblichen finanziellen Nachteile für die betroffenen Pflegeeltern entstehen und eine der Pflegeform angemessene Betreuung garantiert wird. Eine entsprechende Kooperationsvereinbarung mit den möglichen Regelungsbereichen ist diesem Kapitel als Anlage beigefügt.

Die Leistungen für den Einzelfall werden im Hilfeplan dokumentiert. Dazu zählen nach § 37 Abs. 2a SGB VIII vor allem auch der Umfang der Beratung der Pflegepersonen, die mit der Hilfe verbundenen Ziele und die Höhe der laufenden Leistungen zum Unterhalt des Kindes. Der Hilfeplan behält auch nach dem Zuständigkeitswechsel im Zuge der Durchführung des § 86 Abs. 6 seine Gültigkeit. Eine Abweichung von den dort getroffenen Feststellungen ist nur bei einer Änderung des Hilfebedarfs zulässig. [4]

Ausgleichszahlungen

Die Betreuung der Pflegefamilien und Pflegekinder wird generell durch das örtlich zuständige Jugendamt übernommen. Um die aufnehmenden Jugendämter hier zu entlasten, können Ausgleichszahlungen von den abgebenden Jugendämtern geleistet werden. Empfehlungen über die Höhe dieser Zahlungen sind in Kapitel 4.2 niedergelegt. Es ist bei den Ausgleichszahlungen grundsätzlich sicherzustellen, dass sie der Qualität der Betreuung zugute kommen. Die Zahlungen sollten ebenfalls im Kooperationsvertrag geregelt werden (vgl. Anlage 4 zu diesem Kapitel).

Schaubild 10:  Übersicht über die Regelung des § 86 Abs. 6 SGB VIII

2.2.3 Kooperation mit freien Trägern und Zusammenschlüssen von Pflegeeltern

Kooperationsbeziehungen zu freien Trägern der Jugendhilfe und zu (selbst organisierten) Zusammenschlüssen von Pflegeeltern spielen in einzelnen Jugendämtern eine unterschiedliche Rolle und haben für die praktische Arbeit eine unterschiedliche Relevanz. Die Ausgliederung von Teilen der Pflegekinderarbeit an freie Träger und die Beteiligung von Pflegeelternzusammenschlüssen z. B. an der Schulung von Bewerberinnen und Bewerbern haben in jüngerer Zeit insgesamt jedoch eine höhere Bedeutung bekommen, weshalb auf die Gestaltung von Kooperationsbeziehungen hier gesondert eingegangen wird.

a)  Kooperation mit freien Trägern der Jugendhilfe

Im Zusammenhang mit den hier präsentierten Empfehlungen sind freie Träger der Jugendhilfe gemeint, die Leistungen im Bereich des Pflegekinderwesens anbieten. Darunter sind z. B. Vermittlungstätigkeiten, Werbung, Vorbereitung von Pflegeeltern, Qualifizierungsveranstaltungen und Supervision zu verstehen – aber auch Träger, die im Auftrag des Jugendamts und im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten Pflegestellen nach § 33 SGB VIII betreuen.

Integraler Bestandteil der Kooperation sollte ein jährliches Koordinierungstreffen sein, auf dem die unterschiedlichen Bedarfe an Veranstaltungen und Fortbildungen mit den Trägern besprochen und festgelegt werden. Die einzelnen Aktivitäten können dann verantwortlich von den Trägern oder dem Jugendamt – arbeitsteilig oder in gegenseitiger Kooperation – durchgeführt werden. Auf der Basis dieses Treffens kann ein jährliches „Kursbuch“ für die Pflegeeltern entstehen, das die Angebote zusammenfasst und damit deren eigene Planung erleichtert. Die Koordinierungstreffen sollten neben den Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB VIII stattfinden, da die dort zu behandelnden Themen sich auf den spezifischen Bereich des Pflegekinderwesens beziehen. Einzubeziehen sind auch Vertreterinnen/Vertreter von Zusammenschlüssen der Pflegeeltern, damit diese den Fortbildungsbedarf ihrer Mitglieder anmelden können und – soweit von dieser Seite Veranstaltungen angeboten werden – diese Veranstaltungen mit denen der freien Träger koordiniert werden können.

b) Kooperation mit Zusammenschlüssen von Pflegeeltern

In Niedersachsen existiert eine Reihe von Pflegeelternzusammenschlüssen, die wiederum im Landesverband der Pflege- und Adoptiveltern Niedersachsen e.V. organisatorisch miteinander verbunden sind.[1] Diese Zusammenschlüsse bieten zum einen individuelle Reflexions- und Austauschmöglichkeiten für die örtlichen Pflegeeltern, sie bieten aber zum anderen auch Fachberatung, Supervision und Weiterbildung an.

Individuelle und kommunalpolitische Funktion der Zusammenschlüsse

Pflegeelternzusammenschlüsse vertreten und fördern Pflege- und Adoptiveltern ideell und gewähren umfassende Hilfen durch Informationen in Form von Materialien, Fachliteratur und persönlicher Beratung. Sie ermöglichen ihren Mitgliedern, in ihrer Rolle als „soziale“ Eltern gegenüber den Behörden und in der Öffentlichkeit kompetent und wirksam aufzutreten. Mit ihrem Wirken machen sie die Öffentlichkeit auf die Arbeit der Pflegeeltern aufmerksam und helfen damit, die Thematik in der Gesellschaft zu verankern. Insofern sind Pflegeelternzusammenschlüsse auch kommunalpolitisch relevant und können eine wesentliche Rolle bei der Werbung neuer Pflegeelternbewerberinnen und -bewerber spielen. Darüber hinaus trägt die persönliche Unterstützungsleistung und Beratung für Pflegeeltern zur Stabilisierung einzelner Pflegeverhältnisse bei.

Es sollte daher im Interesse jedes niedersächsischen Jugendamtes sein, Pflegeelternzusammenschlüsse zu unterstützen. Dies kann auf der Basis eines fachlichen Austausches und/oder über materielle Förderung der einschlägigen Aktivitäten des jeweiligen Zusammenschlusses geschehen. Beides gründet sich auf § 74 Abs. 4 SGB VIII[2] und § 4 Abs. 3 SGB VIII[3]. Darüber hinaus kann § 37 Abs. 2 SGB VIII[4] in Verbindung mit § 23 Abs. 4 SGB VIII[5] zur Begründung der Unterstützung herangezogen werden.

Maßnahmenbezogene und fachlich-unterstützende Funktion der Zusammenschlüsse

Es ist nicht unüblich, dass Pflegeelternzusammenschlüsse eigene Angebote für Pflegeeltern und solche, die es werden wollen, vorhalten. Zu nennen sind hier z. B. Informationsveranstaltungen, Vorbereitungsseminare und Fort- und Weiterbildungen. In diesen Fällen sollte es zu einer Koordination mit den Aktivitäten des Jugendamtes kommen. Dabei sollte die Überlegung im Vordergrund stehen, die Veranstaltungen arbeitsteilig oder gemeinsam zu organisieren, um Kräfte zu bündeln.

Die finanzielle Förderung solcher Veranstaltungen kann – analog zu der Kooperation mit den freien Trägern der Jugendhilfe – gemäß § 74 SGB VIII erfolgen oder über eine Vereinbarung zwischen dem öffentlichen Träger und dem Zusammenschluss der Pflegeeltern als Entgelt für eine Einzelfallleistung nach §§ 77 ff. SGB VIII begründet werden.

Es sollten, auch wenn Pflegeelternvereinigungen keine eigenen Veranstaltungen anbieten, gezielt Personen aus diesem Bereich in die Arbeit des PKD eingebunden werden, z. B. in Form der Teilnahme an Informationsveranstaltungen, um interessierten Personen ein realistisches Bild der Pflege aus Sicht erfahrener Pflegeeltern zu vermitteln. Die Kooperation sollte sich auch in gemeinsam geplanten Aktivitäten (z. B. Pflegeelternfeste
oder -treffen) und Gesprächsrunden niederschlagen. Gute Vernetzung verhindert Reibungsverluste. Schließlich sollten Vertreterinnen und Vertreter von Pflegeelternvereinigungen ebenfalls Teilnehmer an den Koordinierungstreffen mit freien Trägern sein (s. o.).

2.2.4 Inhaltlicher Austausch über Fachgremien

In Niedersachsen sind im Bereich der Pflegekinderdienste die Jugendämter über Regionalgruppen vernetzt. Diese Gruppen sind geografisch auf der Ebene der ehemaligen Regierungsbezirke Weser-Ems, Lüneburg, Braunschweig und Hannover angesiedelt, wobei der Bezirk Weser-Ems aus Gründen der Verkürzung der Anfahrtswege in drei Gruppen unterteilt ist. Jedes Jugendamt entsendet Vertreterinnen/Vertreter der jeweiligen PKDs in diese Regionalgruppen.

Die Regionalgruppen wiederum entsenden gewählte Vertreterinnen/Vertreter in die Sprechergruppe, die die Arbeit der Regionalgruppen bündelt und koordiniert. Die Sprechergruppe tagt zwei- bis dreimal im Jahr. Über Protokolle und mündliche Berichterstattung wird der Informationsfluss zwischen Regionalgruppen und Sprechergruppe sichergestellt. Durch die Vertreterinnen/Vertreter der Regionalgruppen erfolgt dann die Rückkoppelung zu den Pflegekinderdiensten der einzelnen Jugendämter.

Die Sprechergruppe bündelt Themen und gibt diese dann an die Bezirksarbeitstagungen der Jugendamtsleitungen. Von dort werden die Themen zur weiteren Beratung und Diskussion an den Vorstand der AGJÄ weitergeleitet.

Alle Ergebnisse nehmen dann den umgekehrten Weg zurück über die Sprechergruppe und die Regionalgruppen in die Jugendämter. Ebenso kann aber auch die AGJÄ initiativ werden und ihre Aufträge und Anregungen über die Austauschstruktur in die Jugendämter zur Diskussion weitergeben.

Schaubild 11:  Vernetzung der Pflegekinderdienste

Es wird hier darauf hingewiesen, diese Struktur ernst zu nehmen und mit „Leben“ zu füllen. Nur über einen intensiven Austausch – entsprechend der im Schaubild 11 dargestellten Vernetzung – können inhaltliche Anliegen breit diskutiert und einer Klärung bzw. Entscheidung zugeführt werden.

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2.3 Kooperation mit Vormündern

Die Änderung des Gesetzes zum Vormundschafts- und Betreuungsrecht bringt einen erhöhten Kooperationsbedarf zwischen Vormündern und Pflegekinderdienst mit sich. Dies vor allen Dingen, weil nun festgelegt ist, dass der Vormund mit dem Mündel persönlichen Kontakt halten und es in der Regel einmal im Monat in dessen üblicher Umgebung aufsuchen soll. Dabei hat der Vormund die Pflege und Erziehung des Mündels persönlich zu fördern und zu gewährleisten.[1]

Sowohl die festgelegte Besuchsfrequenz als auch das persönliche Engagement hinsichtlich der Förderung der Erziehung des Mündels machen Absprachen zwischen Pflegekinderdienst und Vormündern unerlässlich, da sich sonst Irritationen und gegenläufige Erziehungs- und Unterstützungsbemühungen einstellen können. Im Folgenden werden die möglichen Kooperationsbereiche grundsätzlich beschrieben. Ein konkretes Vorgehen muss in den einzelnen Jugendämtern zwischen den Partnern einvernehmlich für den jeweiligen Jugendamtsbezirk vereinbart werden.

Formen der Vormundschaft

Ein Gericht kann die Vormundschaft für eine minderjährige Person anordnen, wenn beispielsweise ihre Eltern verstorben sind oder ihnen das Sorgerecht entzogen wurde. Als Vormund können geschäftsfähige Personen, mehrere Personen (beispielsweise ein Ehepaar), das Jugendamt oder ein Verein berufen werden. Übernimmt das Jugendamt die Vormundschaft, spricht man von einer Amtsvormundschaft nach § 55 SGB VIII. Da diese Form der Vormundschaft im Alltagshandeln der Jugendämter die größte Bedeutung einnimmt, sind die nachfolgenden Ausführungen etwas stärker auf die Beziehungen von Amtsvormund und PKD hin ausgerichtet.

Rollenverständnis

Die Vormünder sind Ansprechpartner für die Pflegeeltern in allen Dingen, die die gesetzliche Vertretung des Kindes betreffen. Sie haben eine vertrauensvolle Beziehung zum Kind aufzubauen und sie stehen auch für das Kind als Ansprechpartner zu Verfügung. Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass sie das Mündel einmal im Monat kontaktieren.

Der Pflegekinderdienst ist die Fachstelle, die für die Gestaltung des Pflegeverhältnisses verantwortlich ist. Der PKD ist Ansprechpartner für die Pflegeeltern – aber auch für die Pflegekinder – in allen Beratungs- und Erziehungsfragen. Er unterstützt die Pflegestellen bei der Beantragung von Fördermaßnahmen und ergänzenden Hilfen.

Im Umgang mit den Pflegeeltern und Pflegekindern stellen die Vormünder und die Fachkräfte der Pflegekinderdienste ihre Aufgabenbereiche und Zuständigkeiten dar und grenzen sich gegeneinander ab. Bei Aufgaben, die nicht zum eigenen Bereich gehören, wird auf die jeweils andere Profession verwiesen.

Die Rollenklarheit ist auch bei Gerichtsverfahren einzuhalten. Dem Gericht muss verdeutlicht werden, wer von den Beteiligten welche Rolle hat. Entsprechend kann es auch keine gegenseitige Vertretung von Vormund und der Fachkraft des PKD vor Gericht geben.

Informationsaustausch

Ein Informationsaustausch zwischen Vormündern und PKD bei gemeinsam bearbeiteten Fällen findet auf der Ebene der konkret mit dem Fall befassten Personen statt. Dies ist im Vorfeld zu klären. Die Informationen werden in der Regel unmittelbar auf schriftlichem Wege ausgetauscht.

Einbindung in den Prozess der Inpflegegabe

Die Vormünder werden in der Anbahnungsphase mit eingebunden. Hier geht es um das Kennenlernen der Pflegeeltern. Das durch den PKD erstellte Bewerberprofil wird den Vormündern zugesandt.

Das Kennenlernen des Kindes durch den Vormund – soweit dies nicht schon erfolgt ist – geschieht entweder im Vorfeld der Anbahnungsphase (z. B. in der Bereitschaftspflege) oder in der späteren Dauerpflege – keinesfalls aber in der Anbahnungsphase selbst, da die Kinder in dieser Zeit aufgrund des Übergangs zur Pflegefamilie insgesamt schon verunsichert sind. Die Einführung einer weiteren Person in den Prozess sollte den Kindern in diesem Zeitabschnitt nicht zugemutet werden.

Umgangsregelung und Umgang im Konfliktfall

Das Umgangsrecht steht den Eltern zu, wenn es ihnen nicht entzogen ist. Der Vormund vertritt hier die Interessen des Kindes anstelle der Eltern, der PKD die pädagogischen Aspekte der Erziehung und Betreuung im Sinne des SGB VIII. Die praktische Regelung des Umgangs orientiert sich an den Bedürfnissen des Kindes, wobei darauf zu achten ist, dass der zukünftige Lebensmittelpunkt des Kindes in der Pflegefamilie ist. Die getroffene Regelung sollte diesem Umstand nicht entgegenstehen. Alle Regelungen sind im Hilfeplan festzuhalten.

Besteht zwischen Vormund und PKD ein Dissens bezüglich des Umgangs und kann keine Einigung gefunden werden, so hat der Vormund eine Entscheidungsbefugnis. Der PKD kann dann vor Gericht einen Antrag stellen, wenn er mit der Entscheidung des Vormundes nicht einverstanden ist. Insgesamt aber ist eine einvernehmliche Haltung aller Beteiligten anzustreben.

Abgabe der Vormundschaft

Die Abgabe der Vormundschaft wird durch den Vormund einmal im Jahr geprüft. Im Falle von späteren Abgaben der Pflegeverhältnisse im Zuge der Durchführung des § 86 Abs. 6 kann die Vormundschaft bereits vor Ablauf der zwei Jahre abgegeben werden. Bei einem personellen Wechsel des Vormundes ist der PKD rechtzeitig einzubinden.

In Ausnahmefällen kann es sinnvoll sein, die Vormundschaft an die Pflegeeltern abzugeben. In diesen Fällen überprüft der Vormund in Kooperation mit dem fallführenden sozialen Dienst (ASD/PKD) die Geeignetheit der Pflegeeltern mit Blick auf ihre zukünftige Rolle als Vormünder. Bei dieser Prüfung sollen folgende Kriterien Beachtung finden:

-  Bindung/Beziehung zum Pflegekind,

-  weitgehender Ausschluss einer Rückkehr in die Herkunftsfamilie,

-  kein laufendes Gerichtsverfahren.

Im Vorfeld der Abgabe der Vormundschaft an die Pflegeeltern findet eine intensive interne Absprache zwischen dem PKD und dem Vormund statt.

2.4 Beschwerdemanagement

Beim Beschwerdemanagement geht es vor allen Dingen um die Möglichkeiten, die ein Pflegekind hat, sich mit bestimmten Anliegen an eine ihm bekannte und möglichst neutrale Stelle zu wenden. Da solchen Beschwerden in der Regel Erlebnisse in den Pflegefamilien zugrunde liegen, scheiden die Pflegepersonen als Ansprechpartnerinnen und -partner aus.

Als Beschwerdeinstanz kann zum einen der Pflegekinderdienst angesehen werden. Allerdings ist eine vertrauensvolle Beziehung zwischen der Fachkraft im Pflegekinderdienst und dem Pflegekind dabei unabdingbar. Entstehen kann diese Beziehung, wenn das Pflegekind als gesonderter Ansprechpartner im Hilfeprozess angesehen und entsprechend mit ihm gearbeitet wird (vgl. Kap. 7.1).

Zum anderen sind die Vormünder als weitere Ansprechpartner zu betrachten, die ja schon gesetzlich gehalten sind, eine vertrauensvolle Beziehung zum Pflegekind aufzubauen (vgl. Kap. 2.3).

Es existieren damit zwei Instanzen, bei denen unabhängig voneinander die Beschwerden aufgenommen und weiter bearbeitet werden können. Entscheidend dabei ist, dass ein Klima hergestellt wird, in dem nicht nur das Vorbringen von Beschwerden möglich ist, sondern dass auch verantwortungsvoll mit den Informationen umgegangen wird. Klare Absprachen zwischen Pflegekind und Ansprechpartner hinsichtlich der weiteren Verfolgung der geäußerten Beschwerden sind dabei unabdingbar.

Es gibt darüber hinaus Überlegungen zur Etablierung einer eigenständigen Ombudsstelle für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, die dann auch für Pflegekinder zuständig wäre. Eine solche Stelle müsste einerseits einen niedrigschwelligen Zugang gewähren, damit sie von den Kindern auch wahrgenommen werden kann, und andererseits sollte ihre Einrichtung aber auch nicht zu einer weiteren Bürokratisierung beitragen. Eine Empfehlung kann an dieser Stelle dazu nicht gegeben werden, da zurzeit noch keine entsprechenden Erfahrungen vorliegen. Als Anregung zur Beschäftigung mit diesem Aspekt wird auf das Rechtsgutachten zur „Implementierung von ombudschaftlichen Ansätzen der Jugendhilfe im SGB VIII“ verwiesen.[2]


[1]    Die entsprechenden Paragrafen sind in der Zusammenstellung der rechtlichen Regelungen am Ende der Empfehlungen aufgeführt.

[2]    Wiesner, Reinhard (2012): Implementierung von ombudschaftlichen Ansätzen der Jugendhilfe im SGB VIII. Rechtsgutachten für die „Netzwerkstelle Ombudschaft in der Jugendhilfe“ des Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe e.V. Als PDF herunterladbar unter:

     www.ombudschaft-jugendhilfe.de/netzwerkstelle/fachinformationen/gutachten



[1]    Der Landesverband besteht zurzeit (01/2013) aus 20 Ortsvereinen und Gruppen sowie 35 Einzelmitgliedern, die sich über die gesamte Fläche des Bundeslandes verteilen.

[2]    § 74 Abs. 4 SGB VIII:„Bei sonst gleich geeigneten Maßnahmen soll solchen der Vorzug gegeben werden, die stärker an den Interessen der Betroffenen orientiert sind und ihre Einflussnahme auf die Ausgestaltung der Maßnahme gewährleisten.

[3]    § 4 Abs. 3 SGB VIII:„Die öffentliche Jugendhilfe soll die freie Jugendhilfe nach Maßgabe dieses Buches fördern und dabei die verschiedenen Formen der Selbsthilfe stärken.

[4]    § 37 Abs. 2 SGB VIII: „Die Pflegeperson hat vor Aufnahme des Kindes oder des Jugendlichen und während der Dauer der Pflege Anspruch auf Beratung und Unterstützung; dies gilt auch in den Fällen, in denen dem Kind oder dem Jugendlichen weder Hilfe zur Erziehung noch Eingliederungshilfe gewährt wird oder die Pflegeperson der Erlaubnis nach § 44 nicht bedarf. § 23 Abs. 4 gilt entsprechend.

[5]    § 23 Abs. 4 SGB VIII: „Erziehungsberechtigte und Tagespflegepersonen haben Anspruch auf Beratung in allen Fragen der Kindertagespflege. Für Ausfallzeiten einer Tagespflegeperson ist rechtzeitig eine andere Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherzustellen. Zusammenschlüsse von Tagespflegepersonen sollen beraten, unterstützt und gefördert werden.


[1]    Die Auffassung wird durch ein Rechtsgutachten des DIJuF gestützt, in dem ausgeführt wird, dass diese Regelung nur für die Dauer der Amtshilfe Gültigkeit besitzt. Sie wird mit dem Eintreten der Sonderzuständigkeit nach § 86 Abs. 6 beendet. Das Gutachten wurde von der AGJÄ in Auftrag gegeben (Das Jugendamt (2012), Heft 7-8).

[2]    In neuerer (vereinzelter) Rechtsprechung wird der § 86 Abs. 6 SGB VIII nicht nur für die Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII, sondern auch für Erziehungsstellen nach § 34 SGB VIII angewendet.

[3]    Örtlich zuständiges Jugendamt: Das Jugendamt, in dessen Bezirk die Zuständigkeit des Falles fällt (Initiierung des Falles: Wohnort der Herkunftseltern, Übernahmen: Wohnort der Pflegeeltern).

[4]    Diese Regelung entspricht der Neueinfügung des Abs. 2a in den § 37 SGB VIII.



[1]    Auf den Begriff „Sozialraum“ wird hier bewusst verzichtet, da eine einheitliche Definition dieser Begrifflichkeit nicht existiert.


[3]    Die Phasenstruktur unter Berücksichtigung bezirklicher Teilzuordnung des PKD, siehe Kap. 2.1.3



[2]    Die zeitlich klar befristete Perspektive wird sich nur auf wenige Fälle erstrecken. Im Kapitel 1.1.3 ist sie noch als „Baustelle“ aufgeführt, deren weitere Bearbeitung notwendig erscheint, da praktische Erfahrungen noch nicht in ausreichendem Maße vorliegen.


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